Keine Angst vor Mußlebisten

Joachim Siegerist hätte Olaf Dinné gerne als Unterstützer seiner rechtspopulistischen Formation gewonnen. Das Wahlprogramm erklärt, was er vom Alt-Öko wollte: Ideen und Politik-Projekte

von Benno Schirrmeister

Joachim Siegerist schmückt sich gern mit Unterstützern. Nicht alle dieser Unterstützer wissen allerdings, dass der Mann, der einst Chef von Bild Bremen war, sie zu seinem Freundeskreis zählt. Oder genauer: Sie als Sympathisanten seines rechtspopulistischen Fähnleins „Bremen muß leben“ angibt. Einer von ihnen ist zum Beispiel Olaf Dinné, Grüner Landtags-Pionier, Retter des Viertels, Anti-Stadtautobahn-Aktivist, Chaot und Pascha – lokale Legende.

„Natürlich unterstützt der uns“, sagt Siegerist am Telefon mit etwas Empörung in der Stimme. „Sechs Monate lang haben wir Gespräche geführt“, anfangs habe er, Siegerist, sich gefragt was er mit dieser Kommunistensau, entschuldigen Sie, wenn ich das so sage, besprechen könne. Dann sei man sich näher gekommen. Dinné habe sogar den Wahlvorschlag unterzeichnet.

200 UnterstützerInnen muss eine Gruppierung vorweisen, die in Bremen zur Wahl antreten will. In Siegerists Fall bis zuletzt eine wackelige Angelegenheit. Es sei „schon möglich“, sagt Olaf Dinné, dass er Siegerists Wahlvorschlag unterzeichnet habe, in seinem Sportverein sei so eine Liste rumgegangen. Von einer Unterstützung aber könne keine Rede sein: „Da ist nix dran.“ Außer vielleicht, „dass der mich bekniet hat mitzumachen“. Dinné zieht die Stirn kraus. „So als Spitzenkandidat.“ Was er abgelehnt habe.

Letzteres lässt sich leicht belegen. Denn die Liste führt nun Siegerist an, was nur gerecht ist, weil der die Idee hatte und, anders als die Mehrheit seiner Mitstreiter, ohne Stadtplan vom Brill zur Bischofsnadel findet. Der Name Dinné hingegen taucht überhaupt nicht auf.

Was wollten die Mußlebisten von Dinné? Außer, dessen Ruhm ist für sie sexy, dass er seit Jahrzehnten auf Kriegsfuß mit den etablierten Parteien steht, die Frontverläufe genauestens kennt und die Gabe besitzt, ebenso konkrete wie massentaugliche Anliegen zu formulieren.

In diese Richtung wären die Mußlebisten auch gerne aktiv. Bloß es will ihnen einfach nix einfallen. Okay, die Kaugummis auf Bremerhavener Gehwegen hat man bisher als Ärgernis entdeckt. Aber sonst? Im Wahlprogramm werden Bürgerstreifen gefordert. Und nach dem Vorbild der Sky-Marshals soll künftig in der Straßenbahn „besonders ausgebildetes Personal in Zivil“ mitfahren. Langweilig! Von einer Volksbewegung ist das weit weg.

Der Mangel an Ideen sticht besonders beim Thema Finanzen hervor: „Sicher, sauber, schuldenfrei“, so der Populisten-Slogan. Für letzteres wolle man „die Möglichkeit der Landesinsolvenz prüfen“, salbadert das Papier. Das geht auch ohne vorherige Wahl. Einfach mal ins entsprechende Gesetz schauen: „Unzulässig ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bundes oder eines Landes“, heißt es in der Insolvenzordnung. Muss es ja auch! Schließlich stehen Bund und Länder laut Grundgesetz füreinander ein. Wie Bremen allerdings nach Zerschlagung und Veräußerung seines Landesvermögens leben soll, wüsste man schon gerne. Bloß das lassen die Mußlebisten völlig offen. Vielleicht brauchen Populisten keine konkreten Politikziele.

Tatsächlich gibt sich Siegerist höchst zufrieden mit dem Wahlkampfverlauf: „Dass Böhrnsen uns das Rathaus verweigert“, sagt er, „ist das beste, was uns passieren konnte.“ Positive Effekte verspricht er sich auch davon, dass „meiner Verurteilung immer wieder erwähnt wird“. Siegerist war 1996 wegen Volksverhetzung zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden. Sein Wahlverein will sich „in Bund und Land“ für die Abschaffung des Strafrechts-Paragrafen 130 einsetzen. Aber ein bisschen mehr anbieten möchte man doch.

Und dass die Mußlebisten sich von Dinné Kreativitäts-Nachhilfe versprochen hatten, ist dokumentiert. In Siegerists Hochglanzblättchen „Konservative Deutsche Zeitung“ hat im Spätsommer 2006 „einer der bekanntesten Politiker Bremens“ unter dem Pseudonym „Olga Donnerstag“ einen Essay veröffentlicht. „So erstickt die Demokratie in Bremen“ ist der betitelt. Klar sei Donnerstag Dinnés Pseudonym, sagt Siegerist. Der habe den Text geschrieben. Dinné: „Teile davon stammen von mir“, er sei aber massiv „umgeschrieben worden – streckenweise steht da jetzt ja kompletter Blödsinn drin“. Dinnés Version der Veröffentlichung: Er habe das Manuskript auf dem Schreibtisch eines alten Kumpels liegen lassen. Über den es dann zu Siegerists Leuten kam. Die haben es abgedruckt – ohne Genehmigung. Dinné: „Ich habe mich dagegen verwahrt.“