ORTSTERMIN: GRUNDSTEINLEGUNG DER HAMBURGER ELBPHILHARMONIE
: Rosa, stolz und unendlich glücklich

In der Reihe „Ortstermin“ besuchen Autoren der taz nord ausgewählte Schauplätze am Rande des Nachrichtenstroms

Es ist nicht heiß, aber staubig an diesem Apriltag, und vielleicht wäre es doch gut gewesen, einen Bauarbeiter-Helm mitzubringen. Ist dann aber nicht nötig, im Gegenteil: Festliche Atmosphäre umweht jeden, der zur Elbphilharmonie-Grundsteinlegung in Hamburg will. Umso mehr, als es sich hierbei um ein kosmisches Unterfangen handelt: Denn nicht nur die Hamburg-Flagge wird da vor dem Eingang geschwungen, sondern auch Deutschland- und Europa-Fahne, und ein bisschen fühlt man sich an die realsozialistische Winkelemente-Kultur erinnert. Aber hier soll nun kein Systemvergleich angestellt werden. Sehr professionell ist das Häuflein nicht, das sich am Kaispeicher A postiert hat. Wäre sonst die Europa-Flagge fast in das Dach des schwarzen Rover-Automobils gekracht, in dem fünf Befrackte saßen?

Drinnen geht es anders zu: Einen roten Teppich hat man auf den Betonboden gelegt, damit die Gäste glauben, sie wären ein bisschen König. Im Saal dann: Kleine, Große, Blondierte. Sponsoren, Politiker, Museumsdirektoren. Auch Christoph Lieben-Seutter ist da, der Intendant der Elbphilharmonie. Klirrend lachen die Damen, jovial kumpeln die Herren. Man ist unter sich und schaudert nur sehr dezent, als das Bläserensemble des NDR Dissonantes zu kreischen beginnt. Und ist ziemlich froh, dass der Erste Bürgermeister Ole von Beust die 700 Gäste nicht einzeln begrüßt. Richtig glücklich wird man aber, als von Beust vom „Haus für alle“ spricht. Von der „Elite, ohne elitär zu sein“. Von der Kultur für alle, die bezahlbar sein soll. Kann sein, das dem Intendanten ein bisschen übel wird, als er das hört.

Doch das sieht von Beust ja nicht. Er wolle nur, dass durch diese Architektur Identität entstehe, und was das heißt, stellen die zwei Damen da vorn aus: Nicht nur, dass sie dem Intendanten immer wieder ein Verschwörerlächeln senden. Nein, mit jedem von Beust’schen „Haus für alle“ wachsen sie – ganz real, immer ein kleines Stück. Wohlig warm scheint ihnen zu werden und fast fangen sie wohl an zu glauben, sie hätten an der Vision Elbphilharmonie persönlich mitgestrickt. Und sind – wie alle Gattinnen hier – offenbar unendlich froh, Dekor eines so hehren Hauses sein zu dürfen.

Über die Frage, wieso man selbst dieses Gefühl eigentlich nicht teilt, schweift der eigene Blick zur Decke. Warum nur wurde das dort gespannte Tuch mit halb abstrakten Wasser- und Wellensimulationen verunstaltet – wegen der Elbe, der Fleete, des Hafens? Und warum changiert, kaum dass der Grundstein vernagelt ist, das selbe Tuch plötzlich ins Rosa – der Farbe des Elbphilharmonie-Emblens –, als habe sich hier eine sakrale Wandlung vollzogen? Sollte doch tatsächlich irgendjemand dieses Konzerthaus-im-Werden als Kathedrale begreifen? Immerhin applaudiert das Publikum bald, und das darf man in der Kirche ja nicht. Und geklatscht werden soll ja – um die Elbphilharmonie im Kaispeicher „willkommen zu heißen“, so hat es die Moderatorin gesagt. Dass sie hanseatisch-blond und jung ist, versteht sich inzwischen von selbst. Ja, lauter Schönheiten hier. Fast so schön wie die willkommen zu heißende Elbphilharmonie selbst … aber das ist natürlich ketzerisch – wer würde denn ein Gebäude ernsthaft mit einem menschlichen Antlitz vergleichen? Obwohl – wird man nicht erst schön durch die Architektur der Stadt, in der man wohnt?

Auf dem Weg nach draußen leuchtet es ringsherum rosafarben: Elbphilharmonie-rosa die Deckenlampen, rosa die Wandstrahler, rosa die Autos. Der Grundstein-Ziegel, den sie einem zum Abschied in die Hand drücken, ist dann aber knallrot. Ein Segen. PS