Berlin und Brandenburg machen Schluss

Die Länderfusion von Berlin und Brandenburg im Jahr 2013 ist endgültig vom Tisch. Nach den zögerlichen Potsdamern verliert auch der Senat die Lust am gemeinsamen Bundesland. Nur Brandenburgs Wirtschaftssenator gibt nicht auf

Es war wie bei einer Trennung eines Liebespaares: Beide Partner haben lange gewusst, dass etwas nicht stimmt. Aber keiner wollte einsehen, dass die Beziehung zum Scheitern verurteilt ist. Jeder schob dem anderen die Schuld zu. Doch jetzt ist das Ende offiziell. Das jahrzehntelange Vorhaben, Berlin und Brandenburg zu fusionieren, ist auf absehbare Zeit vom Tisch. Die Schlammschlacht hat begonnen.

Am längsten haben die Berliner beteuert, eine Fusion mit dem Nachbarland anzustreben. Das ist nun vorbei. „Ein Bräutigam, der jahrelang allein vorm Altar steht, wirkt irgendwann lächerlich“, sagte Senatssprecher Michael Donnermeyer gestern der taz. Allein gelassen fühlen sich die Hauptstädter von ihrer Braut in spe – der Potsdamer Landesregierung. In einem Zeitungsinterview hatte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am Wochenende die letzten Hoffnungen auf ein Bundesland Berlin-Brandenburg begraben: „Überall, wo ich hinkomme, höre ich: Lasst uns mit diesem Thema in Ruhe. Wenn man Demokratie ernst nimmt, dann muss man das auch irgendwann akzeptieren.“

Die Lust auf eine Vereinigung mit der Hauptstadt war in der Mark nie groß. Zu dominant scheinen den 2,5 Millionen Brandenburgern die 3,4 Millionen Berliner. Zu ungewiss ist ihnen auch der wirtschaftliche Nutzen einer Ehe mit einer Stadt, die 62 Milliarden Euro Schulden drücken. Spätestens die Niederlage Berlins vor dem Bundesverfassungsgericht im Oktober vergangenen Jahres hat Brandenburgs Hoffnungen zerstört, bei einer Fusion an Berlins Schuldenberg vorbeizukommen.

Obendrein stärken die jüngsten Wirtschaftsdaten den Glauben vieler Brandenburger, auch allein ganz gut voranzukommen. Binnen einem Jahr ist die Arbeitslosenquote im Land um 2,7 Prozentpunkte auf 16,3 Prozent zurückgegangen – auf denselben Stand wie in Berlin. Gleichzeitig ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Brandenburg stärker gestiegen als im Durchschnitt der ostdeutschen Länder.

So eindeutig wie in den vergangenen Tagen ist die Absage beider Partner an eine Länderehe noch nie ausgefallen. Vor allem die Berliner haben lange offiziell am Ziel einer Fusion festgehalten. Nun sagt Senatssprecher Donnermeyer zur geplanten Länderverschmelzung im Jahr 2013 lakonisch: „Wir geben uns da keinen Illusionen hin.“

Nur einer hält noch am Ziel einer Länderehe fest: Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU). „Ich sehe es als Aufgabe an, Berlin und Brandenburg jenseits von Stimmungen zusammenzuführen. Für mich ist der Weg der tausend Staatsverträge keine wirkliche Alternative“, erklärt er. Schon seit Jahren verknüpfen gemeinsame Gerichte und Landesämter die Länder. Doch auch da hakt es.

Der Senat wirft den Potsdamern vor, systematisch Unternehmen aus Berlin abzuwerben. Den rings um Berlin gelegenen „Speckgürtel“ hat die Landesregierung vor kurzem zum Höchstfördergebiet erklärt – zulasten Berlins, argwöhnt der Senat. Diesen Vorwurf will Brandenburgs Wirtschaftsminister nicht auf sich sitzen lassen: „Wegen einer Förderung allein geht kein Unternehmer von Berlin nach Brandenburg.“

Die Beziehung der beiden Verlobten war also seit längerem zerrüttet, und jeder schob dem anderen die Schuld zu. Anfang März brüskierte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) Brandenburg mit der Ankündigung, er verzichte auf die für 2008 geplante Zusammenlegung der Wirtschaftsfördergesellschaften beider Länder. Zukunftsagentur Brandenburg (ZAB) und Berlin Partner könnten gern weiter um Investoren werben, aber nicht verschmelzen. Auch damals gab sich Junghanns als Beziehungsberater: Berlin und Brandenburg brauchten sich, wenn sie im internationalen Wettbewerb vorankommen wollten.

Unisono weisen Berlin und Brandenburg nun darauf hin, auch ohne Fusion seien sie die am stärksten verknüpften Bundesländer. Sie wollen also Freunde bleiben. MATTHIAS LOHRE