DUMPINGGESCHÄFTE
: Der Untergang

Karl-Marx-Straße – ein Dumpingladen liegt neben dem anderen

Der Toner meines Laserjets 5 MP ist alle. MP wie Maschinenpistole oder „Martha, Paula“, wie mein Computerhändler, der mir einen Toner besorgen soll, einem anderen Computerhändler ins Telefon buchstabiert. Ich klappere ein paar Geschäfte ab, bis ich schließlich zu Tonerdumping auf der Neuköllner Karl-Marx-Straße geschickt werde, wo ein Dumpinggeschäft neben dem anderen liegt, was sich Karl Marx wahrscheinlich auch nicht hätte träumen lassen, obwohl diese aufgereihten Dumpinggeschäfte ja eigentlich vom Untergang des Kapitalismus zeugen beziehungsweise von seinen letzten Zuckungen.

Aber trotzdem hätte Karl Marx bestimmt nichts gegen eine etwas repräsentativere Straße einzuwenden gehabt, eine mit etwas mehr Glamour, eine, in der noch ein Hauch von Geschichte in der Luft liegt, vielleicht einer schönen Revolution oder wenigstens von ein paar Barrikaden, wenn man schon seinen guten Namen für eine Straße hergeben muss.

Im Laden riecht es zwar nicht nach Geschichte, aber streng. Genau genommen nach Döner. Der Händler guckt in seinen Computer, ob er den Toner für einen Laserjet 5 MP dahat. Hat er nicht. Ob mein Drucker so selten sei, frage ich. Selten nicht, aber er lege sich keinen Toner auf Lager, wo er ein Jahr vor sich hinschimmelt.

Eine Kundin betritt den Laden: „Riecht lecker hier“, sagt sie. „Lass mich raten: Bratkartoffeln!“ – „Chinapfanne“, sagt der Händler. – „Lecker“, sagt die Frau noch einmal. Chinapfanne hätte sie auch genommen. Vielleicht bin ich hier in einem Imbiss gelandet, der auch Toner verkauft, aber nicht auf Lager hat. Aber ich sehe keinen Grill hier. Ich überlege, wenn ich schon keinen Toner bekomme, vielleicht sollte ich stattdessen Chinapfanne nehmen, die nach Döner riecht, und dabei ein bisschen dem Kapitalismus zugucken, wie er untergeht.

KLAUS BITTERMANN