SCHLÜSSELFRAGEN
: Warum einfach?

Sie scannt den Ausweis, um in mein Konto zu gucken

Die Stadtbibliotheken Berlins sind ein bisschen wie die Utopie einer vereinten Welt. Sie gehören zusammen, und doch ist jede Filiale anders. Als Stadtnomade kenne ich etliche. Eine unbekannte zu betreten, ist wie ein neues Land zu erkunden. Neulich war das in Reinickendorf der Fall. Erste Frage: Darf ich den Rucksack behalten, oder muss ich ihn abgeben? Am Eingang ein Schild: Taschen bitte einschließen. Hinten links sehe ich die Schließfächer. Alle sind abgeschlossen, nirgends ein Schlüssel. Zwei Möglichkeiten: alle belegt. Oder man muss sich einen Schlüssel am Pult holen. Die Mitarbeiterin am Pult ist nett. Ja, sie gibt Schlüssel gegen Pfand, „am besten den Bibliotheksausweis“, sagt sie. Ich geb’ ihn ihr, sie gibt mir einen Schlüssel und lächelt: „Die Nummer vier“. Dahin bringe ich den Rucksack.

Später gehe ich mit Büchern und CDs zum Ausleih-Automaten, das ist jetzt in Berlins Stadtbibliotheken so, man verbucht selbst. Aber den Bibliotheksausweis braucht man dazu, und den habe ich ja abgegeben. Zurück zur Mitarbeiterin. „Ich bräuchte den Bibliotheksausweis“, sage ich und zeige hilflos auf die Bücher und CDs. Ja, klar, sie lächelt, gibt ihn mir, aber dafür muss ich den Schlüssel für das Schließfach wieder abgeben. Dann verbuche ich die Bücher und CDs mit dem Ausweis.

Jetzt will ich gehen, aber mein Rucksack ist noch im Schließfach. Ich gehe zur Angestellten und halte ihr wortlos den Ausweis hin. Sie scannt ihn, um in mein Konto zu gucken, weiß dann aber nicht, wozu. Meine Mundfaulheit hat zu einem Missverständnis geführt, den ich aufkläre: „Äh, ich wollte nur den Schlüssel zum Schließfach haben.“ Ach ja, na klar, nochmal wird getauscht, ich hole meinen Rucksack, dann wieder zur Angestellten. Ein letzter Schlüssel-Ausweis-Tausch, und ich kann mit Ausweis und Rucksack zurück über die Grenze.

GIUSEPPE PITRONACI