: Angreifer aus dem Mittelfeld
Eigentlich traf es den Falschen. Als die SportBild unlängst eine Schweinsteiger-Geschichte mit dem unschönen Titel „Das Chefchen“ versah, hätte diese Story auch dem offiziellen Boss des Bayern-Kaders gelten können: Mannschaftskapitän Philipp Lahm. Der war als solcher in den vergangenen schweren Wochen und Monaten auf dem Spielfeld nämlich kaum auszumachen. So traf die Häme des Boulevards aber seinen Stellvertreter. Potenziert wurde die Wirkung des Artikels nun durch die Reaktion Schweinsteigers. In einer Presserunde des FC Bayern beschimpfte er den Autor aufs Übelste („Lügner! Pisser! Arschloch!“). Tags darauf sah sich die Klubführung zu einer Stellungnahme genötigt: „Dass ein Mann mit so einer sportlichen Vita nun als ‚Chefchen‘ verhöhnt und in dieser Art und Weise diskreditiert wird, ist unerhört und eine Frechheit,“ so Bayern-Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge. Man verstehe, dass er sich zur Wehr setzte, nicht aber die Wortwahl.
Ausgelöst hatte die Debatte Schweinsteigers Mannschaftskollege Arjen Robben, der den Verlust eines Kumpels beklagte: „Wir haben unsere Kapitäne [Lahm und Schweinsteiger; Anm. d. Red.], aber Mark van Bommel war ein echter Führungsspieler. So einer fehlt jetzt.“ Lahm konterte: „Ein Führungsspieler ist jemand, der die Gespräche sucht und Leistung bringt. Ich habe diese Eigenschaften und glaube, dass ich ein guter Kapitän bin.“ Interimscoach Andries Jonker sagte: „Basti ist jeden Tag ein sehr guter Typ.“
Es gibt nicht wenige, die Schweinsteiger für den besseren Kapitän halten, sowohl beim FC Bayern als auch in der Nationalelf. Lahm wird nie auch nur im Ansatz ein Antreiber wie einst Stefan Effenberg oder Mark van Bommel. Schweinsteiger dagegen steht im Zentrum des Geschehens, ist wesentlich emotionaler, muss allerdings ganz anderen Ansprüchen gerecht werden. Von so einem erwartet man mehr. Schweinsteiger ist ein extrovertierter Typ, zeigt sich in Cafés, auf Partys, mit seiner Model-Freundin Sarah Brandner – Lahm wird dagegen eher als Laudator eingeladen. Beide haben bei Bayern langfristige Verträge unterschrieben. Die Kapitänsdebatte wird sie noch eine ganze Weile verfolgen. THOMAS BECKER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen