Proteste in Pakistan

Nach der Absetzung des Obersten Richters demonstrieren Oppositionelle landesweit gegen Musharrafs Regime

ISLAMABAD/BERLIN rtr/taz ■ In Pakistan haben erneut tausende Menschen gegen die Absetzung des Obersten Richters protestiert. Anlässlich einer Anhörung von Iftikhar Chaudhry demonstrierten gestern allein vor dem Obersten Gericht in der Hauptstadt Islamabad rund 1.500 Anwälte und Oppositionelle. Viele von ihnen trugen Plakate mit der Aufschrift: „Nieder mit Musharraf“. In Sprechchören riefen sie Präsident Pervez Musharraf zum Rücktritt auf und forderten Chaudhrys Wiedereinsetzung.

„Diese Bewegung wird die Diktatur beenden. Wir werden nicht aufhören“, sagte Farid Paracha, Parlamentsabgeordneter und Anführer einer religiösen Gruppierung. Mit Schlagstöcken und Schutzschilden bewaffnete Polizeikräfte sicherten die umliegenden Straßen, griffen jedoch nicht ein. Die Sicherheitskräfte hatten am Montag bereits dutzende Menschen in Gewahrsam genommen, um die Proteste zu vereiteln.

Auch in Lahore, Karatschi und Quetta berichteten Augenzeugen von Protesten mit hunderten Teilnehmern. Wegen der Absetzung Chaudhrys kommt es in Pakistan bereits seit Wochen zu Demonstrationen, die mehrfach zu regelrechten Straßenschlachten zwischen der Polizei und den Protestierenden ausarteten.

Der Präsident des Obersten Gerichtshofes, Iftikhar Chaudhry, war am 9. März abgesetzt worden (die taz berichtete). Der Richter hatte sich in mehrerlei Hinsicht bei Pakistans Militärmachthaber Pervez Musharraf unbeliebt gemacht. Er hatte die Privatisierung der staatlichen Pakistan Steel rückgängig gemacht und der Regierung indirekt Korruption vorgeworfen. Außerdem kümmerte er sich um Klagen über Gewalt gegen Frauen und über das Verschwinden und Foltern von Regimegegnern. So zwang er beispielsweise die Regierung, regelwidrig Inhaftierte dem Gericht vorzuführen.

Offiziell hatte Musharraf Chaudrys Suspendierung mit dessen angeblichem Amtsmissbrauch begründet. So soll er seine Stellung benutzt haben, um seinem Sohn einen einflussreichen Regierungsposten zu verschaffen. Chaudry dementierte indes alle Anschuldigungen und gab bekannt, für seine Wiedereinsetzung zu kämpfen.

Im Vorfeld der Wahlen, die Ende dieses Jahres stattfinden, gehen Kritiker davon aus, dass die Suspendierung erfolgte, um Musharraf das Amt des obersten Befehlshabers der Streitkräfte weiterhin zu sichern. Der unabhängige Chaudhry hätte dies verhindern können. Zudem gehen viele Beobachter davon aus, dass Musharraf die Reihenfolge der Wahlen – erst Parlament, dann Präsident – umkehren könnte, um seine jetzige Mehrheit im Parlament auszunutzen. Dabei könnte ihm das Oberste Gericht einen Strich durch die Rechnung machen. KEL