Pelosi düpiert Bush in Damaskus

Trotz Anwürfen Präsident Bushs besucht Nancy Pelosi, Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Syriens Präsidenten Assad – genau wie EU-Außenpolitiker Solana. Syrien freut sich über die Aufmerksamkeit, macht aber keine Zugeständnisse

VON BERND PICKERT

Ungeachtet aller Kritik aus dem Weißen Haus hat die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, gestern den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad in Damaskus besucht. Zuvor hatte sich Pelosi, begleitet von einer Delegation des Repräsentantenhauses, bereits mit dem syrischen Außenminister Walid al-Mouallem getroffen. Pelosi, offiziell die Nummer drei der USA nach Präsident und Vizepräsident, ist seit vielen Jahren die ranghöchste US-Politikerin, die mit der syrischen Regierung spricht.

US-Präsident Bush hatte am Dienstag deutlich gemacht, dass er Pelosis Reise für einen Fehler und Gespräche mit der Regierung in Damaskus für sinnlos hält. Solch ein Besuch sende „zweideutige Signale“ aus, kritisierte Bush. „Fototermine oder Treffen mit Präsident Assad lassen die Assad-Regierung glauben, sie bewege sich im Mainstream der internationalen Gemeinschaft, wo sie doch tatsächlich ein staatlicher Terrorsponsor ist“, den Zustrom ausländischer Kämpfer nach Irak zumindest nicht stoppe, Hamas und Hisbollah unterstütze und die Demokratie im Libanon destabilisiere. „Delegationen zu entsenden hat nichts gebracht. Es ist einfach kontraproduktiv gewesen“, sagte Bush.

Damit steht Bush im Widerspruch zu den Empfehlungen der überparteilichen Baker-Kommission, die Ende vergangenen Jahres Gespräche mit Iran und Syrien empfohlen hatte, um die Länder in eine Lösung der Probleme im Irak einzubeziehen. Die Demokraten hatten solche Gespräche stets gefordert.

Pelosi hatte im Gepäck ein Gesprächsangebot des israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert. Das habe sie Präsident Assad auch übergeben, und der habe sich gesprächsbereit gezeigt, sagte Pelosi. Weitere, konkretere Ergebnisse der Gespräche, bei denen es nach den Worten Pelosis darum gehen sollte, einen Dialog zwischen den USA und Syrien in Gang zu setzen und Einfluss auf die syrische Politik zu nehmen, wurden zunächst nicht bekannt.

Auf syrischer Seite wurde Pelosi äußerst warmherzig empfangen. „Besser jetzt als nie“ komme der Besuch, sagte Syriens Außenminister al-Mouallem der kuwaitischen Tageszeitung Al-Anba. Der Besuch zeige, dass die Europäer und die USA begriffen hätten, dass die Politik der Isolierung Syriens gescheitert sei. Der syrische Botschafter in Washington, Imad Mustapha, wurde allerdings mit den Worten zitiert, Syrien sehe die neue Offenheit der USA mit Argwohn und werde vorsichtig darauf reagieren. „Syrien wird keine übereilten Konzessionen anbieten, wenn es diese nicht einmal unter viel größerem Druck früher angeboten hat“, sagte er in einem Interview mit der regierungsoffiziellen Zeitung Al-Baath. „Syrien wird immer dann einen Schritt vorwärts gehen, wenn die Amerikaner einen gehen“, fügte Mustapha hinzu.

Auch der außenpolitische Koordinator der Europäischen Union, Javier Solana, stattete gestern Assad seinen Besuch ab. Die EU hatte die Beziehungen zu Syrien nach dem Mord am früheren libanesischen Premierminister Rafik Hariri eingefroren. Solana hatte zuvor erklärt, Syrien müsse eine konstruktive Politik im Nahen Osten, insbesondere im Libanon, betreiben, wenn das Land ein Ende der internationalen Isolation erreichen wolle.

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