DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Der gebogene Wiedergänger

Was sagt uns das? Microsoft reanimiert Clippy. Weiterer Ausdruck des Gamification-Elends

Karl Klammer ist zurück. Die altkluge Büroklammer, die den Benutzern von Office-Programmen ungefragt Anweisungen erteilte: „Anscheinend wollen Sie einen Brief schreiben. Brauchen Sie Hilfe?“ Den meisten Nutzern wäre schon geholfen gewesen, wenn sie gewusst hätten, wie man Karl Klammer ausschaltet.

Selbst der Zeichner von „Clippy“, wie die Büroklammer in den USA heißt, nennt seine Schöpfung heute einer der „nervigsten Figuren aller Zeiten“. 2007 beerdigte Microsoft sie endgültig. Doch nun ist Karl Klammer wieder da. Als Held des Office-Lernspiels „Ribbon Hero 2“. Darin lernt der Spieler die Funktionen von Word, Excel und Powerpoint in Missionen kennen. Das Spiel funktioniert nach dem „Gamification“-Prinzip.

Erfunden hat diesen Begriff die Werbebranche. Und meint damit die Übertragung von Computerspiel-Elementen auf Produkte. Der Konsument soll sich spielend an ein Produkt gewöhnen. Das Ziel: den Nutzer an eine Marke zu binden.

Vorreiter ist das standortbezogene soziale Netzwerk „Foursquare“, bei dem Nutzer zeigen, wo sie sich gerade befinden. Wer etwa am häufigsten im Berliner Café St. Oberholz eincheckt, erhält den Titel „Bürgermeister“– und bekommt dort so lange kostenlosen Kaffee, wie er den Rang innehat. Unscheinbare Alltagsmomente werden so in einen spielerischen Kontext gesetzt. Die Gefahr dabei: Durch den spielerischen Kontext überlassen die Nutzer ihre Gewohnheiten und Vorlieben freiwillig, im Falle von Foursquare, einem Privatunternehmen.

Dagegen sind die Abenteuer von Karl Klammer geradezu harmlos. Das Spiel mit dem Untertitel „Clippy’s Second Chance“ hat nur einen, wenn auch beinahe unmöglichen Zweck: Microsoft Office verständlich zu machen. ROBERT IWANETZ