„An die Angriffskriege gewöhnt“

Als Major Florian Pfaff die Mitwirkung am Irakkrieg verweigerte, wollte ihm die Bundeswehr das Denken verbieten. Auf dem Ostermarsch heute zeigt er, wie das Militär das Recht noch immer bricht

FLORIAN PFAFF (49) kam 1976 zur Bundeswehr. 2003 verweigerte der Pädagoge den Dienst im Streitkräfteamt in Bonn, weil er ihn als Mitwirkung am Irakkrieg wertete. Pfaff war Kandidat für den taz-Panter 2006, er wurde mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille und dem AMOS-Preis für Zivilcourage ausgezeichnet.

Interview: Armin Simon

taz: Herr Pfaff, Sie kommen gerade vom Dienst?

Florian Pfaff, Major: Ja. Ich war gerade im Sanitätsamt in München. Da hab’ ich Gott sei Dank keine Probleme mehr mit Angriffskriegen.

Sie haben vor vier Jahren Ihre Mitarbeit an einem Softwareprojekt verweigert. Hatten Sie keine Lust mehr?

Damals konnte man in allen Medien lesen, dass der Irakkrieg ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg ist. Weder die Rechtslage noch Anstand und Moral hätten es mir erlaubt, daran mitzuwirken. Mein Vorgesetzter hatte mir aber klargemacht, dass ich mit meinem Projekt immer auch den Irakkrieg unterstützte – nicht nur Friedenseinsätze und Verteidigung.

Welche Konsequenzen haben Sie daraus gezogen?

Die, die ich mir vorgenommen hatte für diesen Fall: Meine Mitwirkung an diesem Verbrechen zu verweigern. Ich habe den Militärpfarrer und den Truppenarzt, neutrale Personen also, gefragt, ob ich das richtig vernähme, dass fast die ganze Welt den Irakkrieg als völkerrechtswidrigen Angriffskrieg ansehe und dass dieser begonnen habe. Der Pfarrer hat gesagt: „Na sicher ist das so, leider.“ Der Nervenarzt hat mich dann in die Psychiatrie verfrachtet, wo ich eine Woche auf meinen Geisteszustand untersucht wurde.

Mit welchem Ergebnis?

Dass ich kerngesund bin. Und dass mich meine Vorgesetzten dann unter Druck setzten.

Inwiefern?

Sie haben verlangt, ich solle nicht weiter prüfen, ob ich an einem Verbrechen mitwirke. Ich würde sonst entlassen. Das ist selbstverständlich gesetzeswidrig.

Sie sind seit Jahrzehnten Soldat. Mussten Sie schon einmal Befehle verweigern?

Leider ja, denn schon in Somalia hat sich die Bundeswehr am Verfassungsbruch beteiligt. Ich habe damals meinem Vorgesetzten gemeldet, dass ich da nicht mitmachen darf. Die Bundeswehr hat nichts gegen mich unternommen, das Verfassungsgericht hat mir später Recht gegeben. Auch die Tornado-Piloten, die 1999 beim völkerrechtswidrigen Angriff auf Jugoslawien ihre Mitwirkung verweigert haben, hat die Bundeswehr nicht gemaßregelt.

Beim Irakkrieg kamen Sie nicht mehr so glimpflich davon?

Da war man sich offenbar sicher, die Bevölkerung nun an die Angriffskriege gewöhnt zu haben.

Wie sah Ihre Weigerung aus?

Ich habe meinem Vorgesetzten gemeldet, dass ich alle rechtmäßigen und verbindlichen Befehle weiter ausführen werde.

Eine Provokation.

Die wahre Provokation war doch: Einem Soldaten, dem man fast 30 Jahre lange beigebracht hatte, er sei ausschließlich für den Frieden da, nun den Auftrag zu geben, einen völkerrechtswidrigen Angriff zu unterstützen! Zum Teil nannten selbst meine damaligen Vorgesetzten den Krieg offen „Verbrechen“.

Sie wurden degradiert, haben geklagt – und 2005 vom Bundesverwaltungsgericht Recht bekommen. Was bedeutet das für Ihre KameradInnen?

Sie haben es einfacher. Oberstleutnant Rose, der jetzt die Mitwirkung am Tornado-Einsatz in Afghanistan verweigert hat, wurde nicht mehr in die Klapse eingeliefert und auch nicht mehr so unter Druck gesetzt. Und viele Verfahren gegen Demonstranten, die etwa Soldaten zur Gehorsamsverweigerung aufgerufen haben, wurden eingestellt oder es gab Freisprüche – unter Berufung auf mein Urteil.

Haben Sie viele NachahmerInnen gefunden?

Eine Frau Hauptfeldwebel aus dem Sanitätsdienst hat sich geweigert, das humanitäre Völkerrecht in Afghanistan zu brechen. Von weiteren Fällen habe ich gehört. Aber kein Vergleich zu den USA: Dort haben Tausende verweigert.

Wie hält es die Bundeswehr mit dem Gewissens-Urteil?

Meine Vorgesetzten hier im Sanitätsamt haben mich schon im Verfahren sehr unterstützt. Die Bundeswehrführung aber erkennt das Urteil nicht an. Sie unterstellt mir weiterhin, ich hätte keine Gewissensentscheidung getroffen.

Wie kann man die Bundeswehr wieder ans Recht binden?

Entweder es wird gerichtlich aufgearbeitet oder die Politik muss eingreifen.

Und die Bundeswehrführung austauschen?

Zumindest müsste sie sie so in ihre Schranken weisen, dass sie sich nicht mehr traut, Soldaten dazu anzustiften, in völkerrechtswidrigen Angriffskriegen das Grundgesetz und die Justiz zu missachten. Die Regierung deckt aber die Gesetzesbrüche oder stiftet sogar dazu an.

Sind Sie nach alldem noch überzeugter Soldat?

Ich glaube ja. Aber wohl nicht in den Augen derjenigen, die auch Angriffskrieg befürworten und Kadavergehorsam fordern und dies „Primat der Politik“ nennen.