„Im Tiergarten liegt heute Aldi-Rasen“

Für die Instandhaltung von Grünflächen sind viel zu wenig Geld und Personal vorhanden, klagt Jürgen Götte vom Grünflächenamt Mitte. Jenseits der „hauptstadtrelevanten“ Flächen mache sich das bereits deutlich bemerkbar

JÜRGEN GÖTTE ist stellvertretender Leiter des Fachbereichs Grünflächen im Bezirk Mitte und Inspektionsleiter für die Grünflächen in Tiergarten.

taz: Herr Götte, wie viel Geld steht Ihnen für Mittes Grünflächen pro Jahr zur Verfügung?

Jürgen Götte: Seit ein paar Jahren ist das die konstante Summe von 1,6 Millionen Euro.

Das hört sich gar nicht so wenig an – für ein paar Bäumchen und Blümchen.

Ist es aber. Besonders im Vergleich zu dem Budget, das uns noch vor der Bezirksfusion im Jahr 2001 zur Verfügung stand. Damals bekam allein der Bezirk Tiergarten 6 Millionen Mark im Jahr für die Grünflächen zugesprochen.

Wer entscheidet das denn?

Der Bezirk bekommt vom Land die Mittel zur Unterhaltung der Grünanlagen zugesprochen. Über die Verteilung der Gelder entscheidet das Bezirksamt.

Sind diese Kürzungen am derzeitigen Erscheinungsbild der Grünflächen zu erkennen?

Bei den hauptstadtrelevanten Grünanlagen, wie es im Fachjargon heißt, ist das nicht auf den ersten Blick zu sehen. Also im Regierungsviertel, am Platz der Republik oder natürlich im Tiergarten. Aber die kleineren Anlagen in den Randbereichen, im Wedding zum Beispiel, bekommen sichtbar weniger Pflege. Genauso wie das Grün am Straßenrand oder die Pflanzinseln in den verkehrsberuhigten Straßen von Alt-Tiergarten.

Und was offenbart der zweite Blick in die „hauptstadtrelevanten“ Anlagen?

Na ja, früher haben wir dreimal im Jahr gedüngt, heute machen wir das nur noch einmal. Und was die Qualität angeht: Grün ist eben nicht gleich Grün. Es gibt Tengelmann-Rasen, und es gibt Aldi-Rasen. Wir benutzen heute den Aldi-Rasen, der weitaus schneller zertrampelt ist.

Manchmal nimmt der Rasen noch ganz andere Farben an – durch liegengebliebene Verpackungsmaterialien.

Wir beseitigen den Müll an fünf Tagen in der Woche. Für das Pflegerevier Tiergarten hat uns die Arbeitsagentur Mitte fünfzehn 1-Euro-Jobber zugeteilt. Nur zum Vergleich: Früher hatten wir für den Tiergarten 150 Leute in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Jedenfalls sind von den 1-Euro-Jobbern nicht alle wirklich arbeitswillig. Manche von ihnen müssen wir deswegen zum Jobcenter zurückschicken, andere treten ihren Dienst gar nicht erst an. Mit den zwanzig Kleinkriminellen, die gerade ihre Strafe bei uns abarbeiten, ist das auch nicht anders – die Arbeitsunwilligen werden dann zum Gericht zurückgeschickt.

Ihre festangestellten Mitarbeiter sammeln also gar keinen Müll auf?

In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren ist unser Personalstab durch natürliche Fluktuation und den Einstellungsstopp auf fast die Hälfte geschrumpft, von 360 auf etwa 200 Mitarbeiter. Wir beschäftigen zwar Auszubildende, dürfen sie aber nicht übernehmen. Der Altersdurchschnitt liegt deswegen bei stolzen 45 Jahren. 5 Prozent unserer Mitarbeiter sind behindert, teilweise schwer, und damit auch nicht voll einsatzfähig. Glauben Sie mir: Unsere Leute haben genug zu tun.

Werden Sie denn künftig noch weniger Arbeitskräfte verkraften können? Der Einstellungsstopp bleibt ja auf unbestimmte Zeit bestehen.

Eigentlich sind wir jetzt schon zu wenige. Ideal wären 260 bis 280 Mitarbeiter. Ausgestattet mit der entsprechenden Qualifikation und im entsprechenden Alter.

INTERVIEW: KATHRIN SCHRECK