Protest wird nur mit Klo genehmigt

GEGEN RECHTS Mit teuren Auflagen verhindert das Stadtamt einen Tag vorm geplanten Termin am 30. April eine antifaschistische Mahnwache mit Musik – weil es herkömmliche Tanz-Party vermutet

„Anscheinend sind selbst organisierte antifaschistische Aktionen unerwünscht“

Anias Stier, Veranstalter

Eine „Quasi-Gebühr“ nennt Anias Stier die Auflagen, die ihm am 29. April vom Stadtamt mitgeteilt wurden. Unter anderem zwei Dixi-Klos sollte er in Eigenregie aufstellen, nach Geschlechtern getrennt. „Das hätte ich mir finanziell nicht leisten können, schon gar nicht in dem kurzen Zeitraum“, so Stier.

Schon im März hatte er die Mahnwache mit dem Titel „Tanz in den Mai – Nazifrei“ am Werdersee angemeldet. Geplant waren Redebeiträge, Volksküche, Musik und alkoholfreie Getränke. Als kurz vor Ostern öffentlich wurde, dass die NPD bereits am Samstag marschieren will, sollte die Mahnwache länger dauern und früher beginnen. „Wir planten nun, dass die Menschen direkt von der Gegendemo zu uns kommen“, so Stier.

Die Verlängerung auf sieben Stunden habe die Aufstellung von Toiletten notwendig gemacht, so Rainer Gausepohl vom Innenressort. Bei der ursprünglich geplanten vierstündigen Mahnwache wäre das nicht nötig gewesen. Dass diese Auflagen erst einen Tag vor dem Termin mitgeteilt wurden, liege an der kurzfristig geänderten Veranstaltungsplanung.

„Ab welcher Dauer Toiletten notwendig sind, konnte man mir allerdings nicht genau sagen“, so Stier. Zwei Tage vor dem geplanten Termin hatte sich der Student mit Uwe Papencord vom Stadtamt und der Polizei zum Koordinationsgespräch getroffen. Dabei sei auch die Rede von einer Kaution des Umweltamtes in Höhe von 250 Euro gewesen – einen Tag später in der Auflagen-Bescheinigung allerdings nicht mehr. Er habe den Eindruck bekommen, so Stier, die Veranstaltung sollte von Beginn an torpediert werden. Entsprechend habe man ihm auch ganz unverhohlen nahegelegt, die Veranstaltung noch einmal gänzlich zu überdenken. In der sehr kurzfristigen Auflagen-Mitteilung sieht er dann die finale Maßnahme, die Mahnwache zu verhindern. „Anscheinend sind selbst organisierte antifaschistische Aktionen unerwünscht“, so Stier.

Der politische Charakter der Veranstaltung wird in der Begründung zu den Auflagen dagegen angezweifelt. Der verlängerte Veranstaltungszeitraum lege nahe, dass „unter dem Deckmantel des Demonstrationsrechts eine herkömmliche Feier zum ‚Tanz in den Mai‘ veranstaltet“ werden soll. Dabei habe er mehrmals den politischen Charakter der Musikbeiträge unterstrichen und seine Bereitschaft erklärt, Lärmgrenzen einzuhalten, beteuert Stier. Trotzdem spricht Papencord im Auflagen-Brief von einer „massiven Lärmbelästigung“ und „umfangreichen Verschmutzungen“. Grund war eine nicht angemeldete Technoparty, die Stier Anfang April mitveranstaltet hatte. Anwohner hatten damals via Weser-Kurier die Vorwürfe erhoben. Allerdings bestätigte die Polizei längst die gute Kooperation mit den Party-Organisatoren und die Sauberkeit des Platzes nach der Feier. „Herr Papencord hätte vorher die Fakten prüfen sollen“, so Stier. Beim Kooperationsgespräch hätte er dazu Gelegenheit gehabt – die Polizei saß mit am Tisch.

MICHAEL DREISIGACKER