Ein 90-Jähriger wirbt um Chrysler

Der US-Milliardär Kirk Kerkorian will den US-Autohersteller retten. Der ehemalige Chrysler-Großaktionär, den eine wechselvolle Geschichte mit dem Unternehmen verbindet, bietet DaimlerChrysler 4,5 Milliarden US-Dollar

Ob die Angebotshöhe reicht, ist fraglich. Auch die Konkurrenz ist interessiert

BERLIN taz ■ Die „Finanzinvestoren“, mit denen DaimlerChrysler über den möglichen Verkauf von Chrysler verhandelt, haben ein Gesicht bekommen: Kirk Kerkorian. Der 90-jährige US-Milliardär und ehemalige Chrysler-Großaktionär bietet über seine Beteiligungsgesellschaft Tracinda 4,5 Milliarden US-Dollar (rund 3,4 Milliarden Euro) in bar für den Autohersteller – und hofft, dass das Chrysler-Management in Auburn Hills und die Automobilarbeitergewerkschaft UAW mit einsteigen.

Für Kerkorian ist es der zweite Anlauf, Chrysler zu übernehmen. Sollte das gelingen – und dann noch zu einem Preis in dieser Größenordnung –, wäre das für ihn eine große Genugtuung. Sein erstes Angebot an Chrysler hatte Kerkorian, der damals schon gut 14 Prozent der Aktien hielt, 1995 gemacht, weil ihm die Politik von Vorstandschef Robert Eaton nicht passte. 22,3 Milliarden Dollar bot er damals. Das Chrysler-Management bezeichnete die Offerte als „feindlich“ und winkte ab. Inwieweit Kerkorian später an dem Zusammenschluss von Daimler und Chrysler mitwirkte, ist nicht ganz klar: Einerseits hatte er als Großaktionär Vertraute im Vorstand und Zugriff auf die wesentlichen Informationen. Andererseits verklagte er Daimler später mit der Begründung, die Chrysler-Aktionäre seien getäuscht worden, weil es sich nicht um eine gleichberechtigte Fusion, sondern um eine Übernahme durch Daimler gehandelt habe. Er verlor.

Ob die aktuelle Angebotshöhe ausreicht, um Chrysler dieses Mal zu kaufen, ist fraglich. Auch andere Finanzinvestoren wie Blackstone und Cerberus sowie der kanadische Zulieferer Magna International sind interessiert. Zudem soll Kerkorian zwar 100 Millionen US-Dollar sofort anzahlen wollen, berichtet das Wall Street Journal. Dafür verlange er aber 60 Tage lang exklusiven Einblick in die Bücher.

Kerkorian, der mit Vornamen eigentlich Kerkor heißt, ist der Sohn armenischer Einwanderer. Schon als Junge versorgte er seine Familie, indem er Gelegenheitsjobs wahrnahm. Die Schule brach er ab, um Boxer zu werden. Er schaffte es bis zum Weltergewicht-Champion, bevor er sein Interesse für das Fliegen entdeckte – und damit den Einstieg ins große Geschäft fand. 1944 gründete er eine Flugschule und reparierte nebenbei Militärflugzeuge. Bald schon konnte er sich in verschiedene Fluggesellschaften einkaufen. Dabei zeigte er sich schnell als überzeugter Vertreter des Shareholder Value, dem Aktienwert und Rendite über alles geht. Wechselvoll gestalteten sich seine Engagements im Filmgeschäft, bei dem Autobauer General Motors und in Las Vegas, wo er jedes zweite Hotelzimmer an der Casino-Meile besitzen soll. Aber unterm Strich bleibt ein ordentliches Plus: Auf geschätzte 8,7 Milliarden US-Dollar beläuft sich sein Vermögen. Kein Wunder, dass auch sein Privatleben recht bunt verlief: Dreimal heiratete Kerkorian, zwei Töchter zeugte er, dreimal ließ er sich scheiden. Als Motto nannte er einmal: „Arbeite, als lebtest du für immer, spiele, als müsstest du morgen sterben.“ BEATE WILLMS