Mindestlohn droht zu scheitern

Weder SPD noch Union wollen sich bewegen. Falls der Stillstand anhält, hätte die SPD immerhin schon ein Thema für den Wahlkampf, das auch den Gewerkschaften gefällt

BERLIN taz/ap ■ Der Streit um flächendeckende Mindestlöhne nimmt kein Ende – und zeigt der großen Koalition ihre Grenzen: Wenn zwei starke Parteien unterschiedlicher Meinung sind, gibt es manchmal keinen Kompromiss. Entweder man will einen flächendeckenden Mindestlohn oder man will ihn nicht.

Das wird offenbar allmählich auch den Spitzen von Union und SPD klar. Laut – bisher unbestätigter – Meldung des Spiegel will Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) der Union noch vier Wochen Zeit lassen, um auf die Forderungen seiner Partei einzugehen. Falls sie sich weigert, wollen die Sozialdemokraten den branchenübergreifenden Mindestlohn zu einem zentralen Wahlkampfthema machen.

Etwa zeitgleich bekräftigte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla im Handelsblatt erneut die ablehnende Haltung seiner Partei: „Einen flächendeckenden Mindestlohn wird es mit uns nicht geben.“

Orchestriert werden die Aussagen wie immer von Gewerkschaften auf Seiten der SPD und von Arbeitgebern für die Union. DGB-Chef Michael Sommer versucht, die Argumente der Gegenseite zu entkräften: Es sei falsch, dass ein Mindestlohn im Osten den einzigen Wettbewerbsvorteil kaputtmache, sagte er der Passauer Neuen Presse. „Niemand kann mir erzählen, dass Menschen deswegen ihre Haare in Polen schneiden lassen, weil es dort billiger ist.“ Im Übrigen seien Frankreich und Großbritannien der Beweis, dass ein Mindestlohn keine Gefahr für die Beschäftigung bedeute. In beiden Ländern liegt der Mindestlohn bei knapp über acht Euro. Für Deutschland schlagen die Gewerkschaften 7,50 Euro vor.

Ganz anderer Meinung ist Hanns-Eberhard Schleyer vom Zentralverband des Deutschen Handwerks: Ein gesetzlicher flächendeckender Mindestlohn würde zu mehr Schwarzarbeit führen. Auch Hans-Werner Sinn, Chef des Wirtschaftsinstituts Ifo, plädierte dafür, statt einem generellen Mindestlohn die Zuschüsse für Geringverdiener auszuweiten. Der Vorteil: Die Lohnansprüche blieben niedriger, es entstünden mehr Jobs.

Die Koalition streitet seit Monaten über das Thema. Ergebnisse soll eine Arbeitsgruppe aus beiden Fraktionen eigentlich Ende April vorlegen – der Termin wurde bereits verschoben. Alle möglichen Kompromisse kamen bereits zur Sprache: Tariflich ausgehandelte Mindestlöhne – dagegen spricht, dass immer weniger Firmen nach Tariflohn bezahlen. Die Ausweitung des Entsendegesetzes auf weitere Branchen – dieses schützt inländische Arbeitnehmer vor billiger Konkurrenz aus dem Ausland, hat aber keinen Einfluss auf die im Inland verhandelte Lohnhöhe. Kombilöhne – dagegen sprechen die Verlagerung von Arbeitskosten auf die öffentliche Hand sowie die Mitnahmeeffekte der Unternehmen. KK