Quietschende Hintern

Manchester United hat große Ziele. Der Klub will Meisterschaft, Pokal und Champions League gewinnen. Dafür müssen die Engländer heute erst mal den AS Rom in Europas Eliteklasse schlagen

AUS MANCHESTER RAPHAEL HONIGSTEIN

Vor Jahren hat Uniteds Trainer Alex Ferguson den Saisonendspurt als „squeaky bum time“ bezeichnet, wörtlich als „die Zeit des quietschenden Hinterns“, im übertragenen Sinne eher als „Zeit für zusammengekniffene Pobacken“. England rätselt immer noch, wie der Ritter Ihrer Majestät das genau gemeint hat. Sein schottischer Dialekt ist auch für Einheimische mitunter schwer zu verstehen. Sicher ist nur, dass es diese Woche wieder etwas lauter quietscht: Nach zwei 2:1-Auswärtsniederlagen in Rom und in Portsmouth droht die souverän absolvierte Saison United „im Gesicht zu explodieren“ (Daily Telegraph).

Die Schlappe an der Südküste kam nicht völlig überraschend. United wirkte müde und die lange gut kaschierte Schwäche des Kaders kam angesichts einiger Verletzten erstmals voll zum Tragen: Im Mittelfeld spielten mit Darren Fletcher und Kieran Richardson beispielsweise zwei Jungs, die es garantiert nicht auf die Bank des schärfsten Verfolgers Chelsea schaffen würden. Torwart Edwin van der Sar wehrte vorm ersten Gegentor wie schon in Rom einen Schuss direkt vor die Füße eines Angreifers ab und Rio Ferdinand legte sich danach in bester Osterhasenmanier das Ei selber ins Nest.

Das peinliche Eigentor macht die Liga wieder spannend. Die Red Devils haben nun nur noch drei Punkte Vorsprung vor Chelsea und müssen im Mai noch an die Stamford Bridge.

Am Dienstagabend müssen Fergusons Männer im Champions-League-Viertelfinale zunächst das 1:2 aus dem Stadio Olimpico aufholen. Ein Drittel des „Traums vom Treble“, dem zweiten Gewinn von Meisterschaft, Europa- und FA-Pokal nach 1999, ist bereits akut gefährdet. Flügelstürmer Cristiano Ronaldo wird in Rom zwar gefürchtet, doch die Engländer dürften ihrerseits Probleme mit dem unorthodoxen Angriffspiel der Giallorossi bekommen: Die Mannschaft von Luciano Spalletti spielt mit vier Offensiven, aber ohne echten Mittelstürmer. „Ich bin überzeugt, dass es ein großes Spiel wird“, sagt Spalletti.

Im Old Trafford wird den Gastgebern neben dem verletzten Kapitän Gary Neville und Abwehrspieler Nemanja Vidic auch der im Hinspiel mit Gelb-Rot belangte Paul Scholes fehlen. Der 32-Jährige, dessen Ballfertigkeit nur von seinem chronisch schlechten Timing in Zweikämpfen übertroffen wird, hat in dieser Saison Uniteds Spiel entscheidend geprägt. Wayne Rooneys erster Tor in der Königsklasse seit 2004 lässt Ferguson hoffen, aber er hat auch das Schicksal von Olympique Lyon vor Augen. Die von ihm im Wettbewerb favorisierten Franzosen wurden nach dem 0:0 im Hinspiel in Rom auf eigenem Platz 0:2 ausgekontert. „Diese Partie müssen wir genau auf Video analysieren“, mahnte Sir Alex.

Nach den schlimmen Szenen aus dem Hinspiel ist auch die örtliche Polizei in erhöhter Alarmbereitschaft. Vor dem Match in Rom hatte United seine Fans gewarnt, bestimmte Bereiche rund um das Stadion zu meiden. Darüber echauffierte sich Roms Bürgermeister Walter Vertroni: „Rom ist eine Stadt, die jeden mit Gastfreundschaft begrüßt.“ Die angereisten Fans wurden jedoch just dort von römischen Ultras mit Fäusten begrüßt, später flogen im Stadion Flaschen in den englischen Block. Als die Gäste zurückwarfen, stürmte die Polizei die Tribüne und knüppelte alles willkürlich nieder. Elf United-Fans kamen ins Krankenhaus, laut Zeugenaussagen sollen auch ältere Herren und ein Mann im Rollstuhl angegriffen worden sein.

Im Old Trafford droht United nur eine metaphorische Tracht Prügel, auf den Rängen dürfte es trotz 75.000 quietschender Hintern ruhig bleiben: Italienische Ultras verreisen nicht gerne, und außerdem ist man im Mutterland der Fußball-Rabauken, was die Stadionüberwachung angeht, dem Kontinent um Jahre voraus.