„Die Mittel versagten“

VORTRAG Ein Kunsthistoriker erklärt, wie die Schrecken des 1. Weltkriegs die Kunst veränderten

■ 63, Kunsthistoriker, forschte u.a. über die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts und über Künstler im NS.

taz: Herr Soiné, welche Funktion nahm die Kunst während des Ersten Weltkrieges ein?

Knut Soiné: Das hängt davon ab, welche Positionen die Künstler im Krieg eingenommen haben, ob sie etwa bei Zeitungen beschäftigt waren und Propaganda ihre Aufgabe war. Ich habe untersucht, wie die deutschen Künstler, von Max Liebermann über Theodor Rocholl, die Leute der Brücke oder des Blauen Reiters bis zu Otto Dix den Krieg reflektiert haben. Und ich fragte mich, ob es eine angemessene Darstellung des Krieges gibt.

Und, was meinen Sie?

Es gibt Künstler, die dem sehr nah gekommen sind – in doppelter Hinsicht. Künstler, die an der Front waren und hinterher sehr eindrucksvolle Werke geschaffen haben, die den Schrecken und das entsetzliche Leid zeigen, die den Krieg ausmachen.

Spielt dabei eine Rolle, dass Deutschland den Krieg verloren hat?

Bei denen, die die Schrecken und das Leid erfahren haben, gehört auch die Sinnlosigkeit des Sterbens zu ihrer Erfahrung.

Gibt es vom Ersten Weltkrieg auch eine Schlachtenmalerei?

Das ist versucht worden, aber die Mittel, die die Schlachtenmalerei traditionell zur Verfügung hatte, versagten vor den Dimensionen. Der Erste Weltkrieg war in räumlicher wie materieller Hinsicht nicht fassbar und man konnte ihn nicht mehr in ein Bild fügen, wie noch 1870/71.

Wie steht es um den Niedersachsen-Stein in Worpswede? Erst als Sieges-Denkmal geplant, wurde er zum Friedensengel umdeklariert…

Der Stein ist einem Helden-Denken entwachsen, aber ließ sich nicht einfach in eine konservative Verherrlichung einfügen. Schon vom Material her widerspricht die Form dem klassischen Denkmal: Das in Backstein zu machen entsprach der expressionistischen, aber nicht den konservativen Vorstellungen. Deshalb hat Fritz Mackensen auch gegen den Niedersachsenstein gewettert.  Interview:JPB

19.30 Uhr, Kulturkirche St. Stephani