Osttimor steht vor einer Stichwahl

Bei den Präsidentschaftswahlen führt Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta nach der ersten Runde. In abgelegenen Regionen reichen die Stimmzettel nicht aus

Entgegen manchen Befürchtungen verliefen die Wahlen friedlich

BANGKOK taz ■ Bei den Präsidentenwahlen in Osttimor lag Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta gestern mit rund 30 Prozent vorn, gefolgt von Fernando de Araujo von der „Demokratischen Partei“ mit 25 Prozent sowie Parlamentschef Francisco Guterres von der einflussreichen Fretilin-Partei mit rund 20 Prozent. Doch diese vorläufigen Ergebnisse bezögen sich nur auf die Hauptstadt Dili, so Wahlkommissionssprecher Martinho Gusmao.

Für die Beobachter ist das Rennen um das Präsidentenamt völlig offen. Eine Stichwahl im kommenden Monat gilt als wahrscheinlich. Entgegen manchen Befürchtungen verliefen die Wahlen am Montag unter den Augen internationaler Friedens- und Wahlbeobachter weitgehend friedlich.

Für Aufregung sorgte eher die Tatsache, dass in etlichen abgeschiedenen Regionen außerhalb Dilis die Wahlzettel ausgingen. Als eine „absolute Notfallsituation“ umschrieb dies Wahlkommissionssprecher Martinho Gusmao. UN-Hubschrauber waren bemüht, Nachschub zu organisieren. Inwieweit alle Wahlstationen versorgt werden konnten, blieb vorerst unklar.

Rund 500.000 Wahlberechtigte waren aufgerufen, fünf Jahre nach der Unabhängigkeit Osttimors ihren Präsidenten zu wählen. Dieser soll das bisherige Staatsoberhaupt, den charismatischen Ex-Unabhängigkeitskämpfer Xanana Gusmao, ablösen. Von Gusmao heißt es, er wolle eine neue Partei gründen und selbst Regierungschef werden.

Vor dem neuen Präsidenten liegt eine schwierige Aufgabe: Das von Gewalt und Armut gebeutelte Land zu einen, in dem sich zudem Konflikte zwischen den Bewohnern östlicher und westlicher Regionen verschärfen. Zwar genießt Premier José Ramos-Horta national und international hohes Ansehen. Doch hat er die schwelende Krise seit seiner Amtsübernahme im Juli 2006 nicht beseitigen können.

Sein Rivale Fernando de Araujo von der „Demokratischen Partei“ war einst Gründer des studentischen Widerstands gegen Indonesien und ein Zellengenosse Xanana Gusmaos. Die mächtige Fretilin-Partei und ihr Repräsentant Francisco Guterres haben ihre Anhänger vor allem unter der ländlichen Bevölkerung. Allerdings wird der Fretilin vorgeworfen, sich eher um parteiinterne Querelen als die Belange Osttimors gekümmert zu haben.

Den Einwohnern zu einem besseren Leben zu verhelfen, hatten sich alle acht Kandidaten auf die Fahnen geschrieben. Der Präsident verfügt nicht unbedingt über politische Macht. Er ist eher Integrationsfigur in einem Land, das als ärmstes Asiens gilt. Noch heute leiden die Menschen an den Folgen einer Krise, die durch die Entlassung von 600 streikenden Soldaten im März 2006 ausgelöst worden war. Diese hatten sich über Benachteiligungen gegenüber Armeeangehörigen aus dem Osten des Landes beklagt. Im April 2006 waren die Proteste in der Hauptstadt Dili eskaliert. Dutzende Menschen starben, bis zu 150.000 flohen vor der Gewalt. Im Jahr davor waren die dort stationierten UN-Blauhelme abgezogen worden. Bitter musste der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan einräumen, das man Osttimor zu früh sich selbst überlassen hatte. NICOLA GLASS