Hilfsprogramme ignorieren Klimawandel

Die globale Erwärmung geht vor allem auf Kosten Afrikas. Doch bislang fehlt es an einem Bewusstsein dafür

NAIROBI taz ■ Wenn im Amboseli-Nationalpark die Zebras vor dem schneebedeckten Kilimandscharo grasen, strahlt der Tourist – und mit ihm Kenias Reiseindustrie. Umgerechnet fast 525 Millionen Euro hat das ostafrikanische Land im vergangenen Jahr im Geschäft mit Urlaubern umgesetzt, so viel wie mit keinem anderen Wirtschaftszweig. Doch der Klimawandel droht das Geschäft schon bald zunichte zu machen. „Bis 2020 wird der Kilimandscharo eisfrei sein, und Zebras werden in vielen Gegenden Afrikas nicht mehr leben können“, warnt Anthony Nyong vom Internationalen Forschungszentrum für Entwicklung in Nairobi, der das Afrika-Kapitel im Bericht des UN-Klimarates IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) koordiniert hat.

Bis 2085 werden Nyong zufolge mehr als 40 Prozent der rund 5.000 bekannten Pflanzenarten aussterben, bei den Tieren soll die Hälfte des Bestandes verloren gehen: In Südafrikas Krüger- Nationalpark werden zwei Drittel aller Tiere verschwinden, glaubt Nyong, in Malawi würden Zebras und Antilopen zu Attraktionen der Vergangenheit.

Das ist auch für die in vielen Ländern noch junge Tourismusindustrie eine Katastrophe, die ein Lieblingskind der Entwicklungshilfe ist. „Der Klimawandel und seine Auswirkungen spielen in zu vielen Entwicklungsprojekten keine Rolle“, kritisiert der Chef des UN-Umweltprogramms (Unep), Achim Steiner.

Der IPCC-Bericht zeichnet ein düsteres Bild vom Afrika der Zukunft: Seuchen breiten sich in bislang sichere Regionen aus, Dürren und Überflutungen führen zu Mangelernährung. Weil Brunnen und Flüsse austrocknen, könnten bis Ende des Jahrhunderts 1,8 Milliarden Afrikaner unter Wasserknappheit leiden, drei Viertel der prognostizierten Bevölkerung.

Vorsorgemaßnahmen würden das Schlimmste verhindern – die Kosten dafür schätzt Nyong auf bis zu 15 Prozent der Bruttosozialprodukte. „Aber bislang fehlt in den meisten afrikanischen Staaten das Bewusstsein, wie wichtig diese Investitionen wären.“ Wenn der Klimawandel jedoch die ohnehin fragile wirtschaftliche Basis erschüttert, wird auch noch das Geld fehlen. Das gilt auch in der Landwirtschaft, einem weiteren Top-Devisenbringer. Kokos- und Palmöl-Plantagen an den Küsten Benins und der Elfenbeinküste würden vom vorhergesagten Meeresspiegelanstieg ebenso weggeschwemmt wie Reisfelder in Guinea. Mindestens vier Prozent des Bruttosozialprodukts sollen allein in Westafrika durch Krisen im Agrarbereich verloren gehen. „Afrika ist weder vorbereitet noch in der Lage, die massiven Folgen des Klimawandels zu schultern“, bilanziert Steiner. Doch dass der Westen die Kosten für die Vorsorge übernimmt, hält Nyong für unwahrscheinlich. „Solange keine sterbenden afrikanischen Kinder zu sehen sind, fließt auch kein Geld.“ So habe Mosambik ein Jahr vor den Fluten im Jahr 2000 erfolglos um zehn Millionen Dollar für den Bau von Dämmen geworben. „Erst als Hunderte in den Fluten gestorben waren, floss Geld – hunderte Millionen.“

Deshalb setzen Afrikas Klimaschützer zunehmend auf Strategien jenseits der Regierungen. „Lokale Farmer haben traditionelle Wege, ihre Ernten vor Wetterextremen zu schützen, die wir wiederentdecken müssen“, sagt Nyong. MARC ENGELHARDT