Punktsieg für Beginen

Wegen Insolvenzverschleppung und Subventionsbetrug standen gestern die ehemaligen Vorstandsmitglieder der Beginenhof-Genossenschaft vor Gericht: Übrig blieb von der Anklage wenig

von Benno Schirrmeister

Es ist ein hochpolitischer Prozess. Und das nicht in erster Linie, weil eine der beiden Angeklagten bei der Bürgerschaftswahl für eine Partei mit Chancen auf vielleicht ein Prozent der Stimmen antritt. Erika R.-N. und Elke S.-P. waren Vorstandsmitglieder der Beginenhof-Genossenschaft. Positiv formuliert: Sie haben in den Jahren 1997 bis 2000 das städtebauliche Projekt gewuppt, das Bremen überregional positive Schlagzeilen eingebracht hat, und in dessen Glanz sich die Scherf-Regierung bei der Expo ausgiebig sonnte.

Nach dem Ende der Expo war das Senatsinteresse allerdings schlagartig weg – genau wie das Geld fürs Renommier-Quartier von Frauen für Frauen. Überschuldet sei die Genossenschaft schon Ende 2000 gewesen, so die Staatsanwaltschaft. Also hätte der Vorstand die Insolvenz viel früher als im August 2001 anmelden müssen. Außerdem wird den Beginen Subventionsbetrug vorgeworfen. Sie hätten eine um 4 Millionen Mark überhöhte Rechnung beim Wirtschaftsressort eingereicht. Und schließlich sollen sie den Generalunternehmer, wissend, dass sie die Rechnungen nicht bezahlen würden können, munter weiter mit Bauarbeiten beauftragt haben. 2,2 Millionen Mark seien deshalb nicht an die Firma W. gegangen – die ihr zugestanden hätten.

Mehr als 6 Millionen Mark Gesamtschaden: Das ist so eine Summe, bei der man anerkennend pfeift und an organisierte Kriminalität zu denken beginnt. Aber vorm Amtsgericht zerpflückt die Verteidigung die zusammengetragenen Vorwürfe: Als Zeuge geladen ist Claus K., Wirtschafts-Ermittler der Staatsanwaltschaft, und ein ums andere Mal bellt ihn S.-P.s Anwalt Carsten Scheuchzer an, ob das denn jetzt objektive Fakten oder subjektive Meinung sei, was er da vortrage. Und kaum hat sich K. wieder gesammelt, rollt von ganz tief unten Erich Joesters Bassstimme an, mit einer sarkastischen Bemerkung. Joester vertritt Erika R.-N. Und dann stellt auch noch Richter Hans Ahlers in leicht amüsiertem Ton die Frage, ob nicht der Anklagepunkt Betrug „einfach aus einem Schriftsatz der Firma W. kopiert“ sei? Diesbezüglich nämlich hatte es vor drei Jahren schon einen Zivilprozess gegeben. Und das Landgericht hatte die Klage der Firma W. gegen Beginen und Bremer Sparkasse zurückgewiesen.

Der Zeuge kommt ins Schwitzen, keine Frage: Das mit dem Subventionsbetrug wirkt eher so, als sei hier ein überhöhter Antrag gestellt worden, in der Hoffnung, im vorgesehenen Maße alimentiert zu werden – ein Antrag, der im Wirtschaftsressort zur Prüfung lag. Und dem noch lange nicht stattgegeben war: Sehr virtuelle vier Millionen, möchte man sagen. Auch verunsichert ihn die Frage nach der Zuständigkeit für die Bewilligung der EU-Gelder. Die hat Ermittler K. sich nämlich nicht gestellt. Hätte Wirtschaftssenator Josef Hattig die Fördermittel anweisen können? Oder musste seine Behörde wirklich auf grünes Licht aus Brüssel warten? „Das weiß ich nicht“, sagt K. schließlich. Ganz unwichtig ist die Antwort nicht: Das Ausbleiben der im Jahr 2000 vom Senat in Aussicht gestellten 7,5 Millionen Mark aus dem Regional-Fonds war Hauptursache der Insolvenz. Aber weder eine Zu- noch eine Absage kam aus dem Wirtschaftsressort – sondern nur ein Hinhalte-Brief von Staatsrat Uwe Färber. Datiert ist das Schreiben auf den 20. Oktober 2000: Kurz vor Baubeginn (siehe Kasten).

Schuldig? Nicht schuldig? Das ist in der Sache Beginenhof wirklich keine unwichtige Frage. Aber nach dem ersten Prozesstag scheint klar: Weder Erika R.-N. noch Elke S.-P. sind diejenigen, an denen sie zu entscheiden wäre.