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: Bei Türkiyemspor gibt’s immer was zu lachen

FUSSBALL Trotz Heimniederlage gegen Magdeburg ist Türkiyemspors neuer Trainer „glücklich“

Türkiyemspor erlebte in der aktuellen Saison in der Fußball-Regionalliga fünf Personen im Amt des Vorsitzenden, wovon zwei eine Doppelspitze bildeten, sowie fünf Trainer. Setzt man diese rekordverdächtige Rotation in Relation zur erreichten Punktzahl (2), so hätte etwa der deutsche Meister Borussia Dortmund jeweils fast 200 Präsidenten und Coaches beschäftigen müssen, um seine mehr als 70 Zähler anzuhäufen.

Diese Rechnung ist natürlich gaga. Ähnlich wie die Rolle, die Türkiyem in der 4. Liga spielt. Im Herbst 2010 entging der Club der drohenden Insolvenz, woraufhin fast die komplette Mannschaft das in Richtung Oberliga sinkende Schiff verließ. Wegen Verstößen im Lizenzverfahren bestrafte der Verband Türkiyem mit drei Punkten Abzug. Seitdem nimmt die Ämterrotation in Kreuzberg an Fahrt auf.

Zumindest bei Redaktionsschluss fungierte noch Yalcin Sancar als Chef. Vorgänger Fatih Aslan, angeblich als „Übergangslösung“ vorgesehen, soll nicht genügend Sponsoren angelockt haben. „Nun können wir gemeinsam nachhaltig an unseren Zielen arbeiten und Türkiyemspor wieder mit sportlichen Erfolgen in der Hauptstadt präsentieren“, verkündete Jungunternehmer Sancar vor der Partie am Freitag im Jahnsportpark gegen den 1. FC Magdeburg. Doch wer investiert schon nennenswert Geld in einen Verein, der in Turbulenzen steckt?

Pleitezyklus von 15 Jahren

Wenigstens gab der Club ein Lebenszeichen von sich und verteilte Tickets unter seinen rarer werdenden Fans. So kamen 500 Zuschauer in den 18.000 Menschen fassenden Jahnsportpark. Die meisten brachte Magdeburg mit, das selbst im Abstiegssumpf steckt.

„Wir sind ein ereignisreicher Verein. Für Monotonie fehlt uns die Zeit“, scherzte Ahmed Erbas, in den 1990er Jahren Clubchef und nun Türkiyems graue Eminenz, vor Spielbeginn. In einem Zyklus von 15 Jahren gehe dem Verein nun mal das Geld aus. Erbas erinnerte an die Regionalliga-Spielzeit 1994/95, als die Kreuzberger so klamm waren, dass sie sich mit einer Notelf ins Ziel schleppten.

Es kursiert eine weitere Absturztheorie: Je höher Türkiyemspor in den Spielklassen steige, desto tiefer würden die Gräben im Anhang. Eine mögliche Erklärung: Im Gegensatz zu anderen Fußballclubs der türkischen Community Berlins, die sich von einer gemeinsamen Herkunftsregion ableiteten, wolle Türkiyem ein Club für alle Türken und Berliner sein. Je stärker man aber ins Licht der Öffentlichkeit rücke, desto stärker würden auch die Schattenseiten der Vereinsmeierei auffallen.

„Türken sind nicht gleich Türken. Die einen sind lockerer, die anderen nicht. Die einen sehen etwas enger als die anderen. Leute vom Schwarzen Meer sind anders als jene von der syrischen Grenze“, berichtete Security-Manager Sanli Güldal. Multikulti einmal anders.

Auf Türkiyems Seuchenjahr 1994/95 folgte damals ein Absturz der Kreuzberger bis in die zwei Klassen tiefere Verbandsliga. So weit soll es nicht mehr kommen.

Trotz der 0:1-Heimniederlage zum Einstand gegen Magdeburg überwältigte der neue Tükiyem-Trainer Bahman Foroutan, der fünfte seit Saisonstart, den Gästecoach Wolfgang Sandhowe mit einer Charmeoffensive. „Ich bin so glücklich wie mein Kollege. Ich gewinne lieber nächste Woche in Hamburg“, säuselte der frühere Nationaltrainer Irans. Sandhowe, einst selbst Türkiyem-Trainer, flötete zurück: „Türkiyem war nicht wiederzuerkennen. Da muss ich meinem Kollegen ein Kompliment machen.“

Foroutan schien sich selbst in Euphorie versetzen zu wollen angesichts der sportlich aussichtslosen Lage am Tabellenende. „Ich habe gehört, meine Mannschaft hätte keine Kondition“, erklärte der Iraner. Beeindruckt von der Konditionsstärke seiner Eleven gegen Magdeburg, kündigte er spontan einen freiwilligen Dopingtest für seine Mannschaft an. Von wegen Türkiyemspor hat nichts mehr zu lachen.

JÜRGEN SCHULZ