Aufregung um Luxus-Abfindungen

Zahlungen in Millionenhöhe an gefeuerte Manager sind in Frankreich plötzlich ein Thema im Präsidentenwahlkampf. Mit scharfen Polemiken gegen „den goldenen Fallschirm“ versuchen die Kandidaten aller Lager bei den Wählern zu punkten

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Zehn Tage vor den Präsidentenwahlen in Frankreich entdecken die KandidatInnen den „goldenen Fallschirm“. Die Sozialdemokratin Ségolène Royal spricht von einem „Skandal“ und einer „Provokation“ und kündigt an, dass mit ihr als Präsidentin die Spitzengehälter veröffentlicht werden. Der Rechtsliberale François Bayrou will das Wirtschaftsleben per Gesetz „moralisieren“. Der Rechte Nicolas Sarkozy schickt einen Hinterbänkler vor, der „abschreckende Steuern für Abfindungen“ vorschlägt.

Anlass für die Aufregung ist die Veröffentlichung der Abfindungssumme für Noël Forgeard. Der frühere Chef des europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzerns EADS bekommt 8,5 Millionen Euro. Der Manager musste vergangenen Sommer gehen, nachdem es zu zweijährigen Lieferverzögerungen beim Airbus A 380, daraus resultierenden hohen Vertragsstrafen und einem Absturz an den Aktienmärkten gekommen war. Als Konsequenz haben Forgeards Nachfolger den Sparplan „Power 8“ entwickelt: Sie wollen 10.000 Arbeitsplätze im Konzern vernichten.

„Prämie für die Inkompetenz“ lautet ein häufiger Kommentar zu dem goldenen Fallschirm für Forgeard. In den Airbus-Werken wollen Beschäftigte, denen Arbeitslosigkeit oder Frührente droht, nicht einsehen, dass der Manager, der ihnen das eingebrockt hat, jetzt auch noch belohnt wird. Dort fallen Sätze wie: „Er war ein schlechter Patron, unehrlich, und jetzt bekommt er noch millionenfach Kohle.“

Bei den Wahlkampfmeetings sämtlicher KandidatInnen ist der „goldene Fallschirm“ für Forgeard zu dem neuen großen Thema geworden. Tatsächlich ist dieser „Fallschirm“ kein Einzelfall. Fast gleichzeitig wurde bekannt, dass Serge Tchuruk, ehemals Manager, dem Alcatel die Vernichtung von 12.500 Arbeitsplätzen verdankt, eine Abfindung von 8,2 Millionen Euro bekommt. Wahlkämpferin Royal erklärt: „Der Staat wird nicht tolerieren, dass ein Patron, der gescheitert ist, mit der Kasse abhaut und die Beschäftigten mit dem zerschlagenen Porzellan zurücklässt“. Vor drei Jahren hatte ihre Partei ein Gesetz zur Kontrolle der Spitzengehälter von Patrons ins Parlament eingebracht. Der Autor Arnaud Montebourg ist ein enger Mitarbeiter von Royal im Wahlkampf. Seinem Gesetz zufolge sollten die Versammlungen der AktionärInnen ein Verhältnis zwischen kleinen und hohen Löhnen in den Unternehmen fixieren. Das Gesetz scheiterte an den Gegenstimmen der UMP und der Enthaltung der UDF.

Im Wahlkampf haben die beiden rechten Kandidaten von UMP und UDF einen sensibleren Blick auf dasselbe Thema. Sarkozy, der in den vergangenen fünf Jahren in der Regierung saß und unter anderem als Finanzminister direkten Einfluss auf den Konzern EADS hatte, in dem der französische Staat 15 Prozent der Aktien hält, sagt heute: „Wer scheitert, muss dafür die Verantwortung übernehmen. Sonst geht unser komplettes Wertesystem unter.“ Bayrou, will glauben machen, dass er das Wirtschaftsgeschehen mit mehr Aktionärskontrolle moralisieren kann.

Der Unternehmerverband Medef, der im Wahlkampf die „Empfängermentalität“ der Beschäftigten anprangert und eine Reduzierung der Lohnnebenkosten sowie eine strengere Kontrolle bei der Vergabe von Sozialleistungen verlangt, schweigt angesichts der goldenen Fallschirme hartnäckig. Nur unter dem Siegel der Anonymität erklärt ein Unternehmer, dass hohe Abfindungen besser seien, als lange juristische Auseinandersetzungen.

Einheitlich ist die Verurteilung bei den KandidatInnen der Linken. Dass sich „das rechte Pärchen Bayrou/Sarkozy über goldene Fallschirme und gaunerische Patrons empört, ist für Marie-George Buffet, KPF-Chefin „eine Komödie“. Der Bauerngewerkschafter José Bové meint: „Wer sein Métro-Billet nicht zahlt, kommt in den Knast – wer Tausende in die Arbeitslosigkeit schickt, bekommt Millionen.“