Zwei Kirchen in Brand gesteckt

ÄGYPTEN Zehn Menschen sterben und mehr als 180 werden bei Gewalttaten zwischen Kopten und Muslimen in Kairo verletzt. Anlass ist eine gemischtreligiöse Hochzeit

In der Kirche soll eine junge Konvertitin gegen ihren Willen festgehalten worden sein

KAIRO dpa/taz | Bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Muslimen und koptischen Christen sind am späten Samstagabend in der ägyptischen Hauptstadt mindestens zehn Menschen getötet worden. Wie das Gesundheitsministerium am Sonntag mitteilte, wurden mehr als 180 Menschen verletzt. Nach Angaben von Augenzeugen waren Hunderte fundamentalistische Muslime im Kairoer Armenviertel Imbaba vor eine Kirche gezogen, weil sie vermuteten, dass dort eine erst kürzlich vom Christentum zum Islam konvertierte junge Frau festgehalten werde. Das Gebäude wurde von zahlreichen Kopten geschützt. Bei der Auseinandersetzung fielen Schüsse, auch von Hausdächern aus sei geschossen worden, erklärten Augenzeugen. Die von ultrakonservativen Religionsführern aufgestachelten Muslime warfen Brandbomben auf die Kirche, Wohnhäuser und Geschäfte. Unter den Toten waren demnach sechs Muslime und vier Christen.

Ministerpräsident Essam Scharaf berief für den Sonntag eine Sondersitzung seines Kabinetts ein und sagte einen in Bahrain geplanten Besuch ab. Kurz nach dem Zwischenfall in Imbaba zogen koptische Christen vor die US-Botschaft in Kairo. Sie kündigten an, solange dort ausharren zu wollen, bis der US-Botschafter mit ihnen über die „Ungerechtigkeiten gegen die christliche Minderheit“ spreche.

Die Frau, die angeblich in der Kirche festgehalten wurde, sei zum Islam konvertiert, um einen muslimischen Mann heiraten zu können, hieß es. Liebesbeziehungen gemischtreligiöser Paare sind in Ägypten immer wieder Auslöser von Gewalt. Frauen wird es zumeist nicht erlaubt, Männer anderen Glaubens zu heiraten. Nichtmuslimische Männer, die eine muslimische Frau heiraten wollen, müssen zum Islam konvertieren.

Die Christen können dagegen eine umgekehrte Regelung für die „Einheirat“ nichtchristlicher Männer nicht durchsetzen. Eine Konvertierung vom Islam zum Christentum ist schlicht nicht möglich und wird von den Muslimen als „Häresie“ betrachtet. Christinnen brauchen wiederum bei der Ehelichung eines muslimischen Mannes nicht zu konvertieren. Bei derartigen Konflikten in Ägypten stehen aber oft schon verheiratete Christinnen im Mittelpunkt, die eine neue Ehe mit einem muslimischen Mann eingehen wollen. Da bei den orthodoxen und konservativen Kopten eine Scheidung praktisch nicht möglich ist, konvertieren sie zum Islam.

Zuletzt waren Anfang März in Kairo 13 Menschen bei religiös motivierten Kämpfen getötet und Hunderte verletzt worden. Auslöser der Gewalt im Vorort Mokattam waren Proteste gegen die Zerstörung einer Kirche. Koptische Christen machen in Ägypten rund 10 Prozent bis 15 der Bevölkerung aus. GB

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