Mahnmal wird leicht und luftig

ARCHITEKTUR Daniel Libeskind hat einen Anbau zu seinem eigenen Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück entworfen und eingeweiht. Der ist transparent und gläsern – und widerspricht dem düsteren Ursprungskonzept eklatant

Daniel Libeskind selbst hatte nicht vor, inhaltlich an das architektonische Konzept des Nussbaum-Hauses anzuknüpfen

Früher mussten BesucherInnen den Eingang zum Felix-Nussbaum-Haus suchen. Denn der lag nicht etwa an der Gebäudefront, sondern an der schmalen Museumsseite. Dafür war dann schon beim Gang über die Brücke zur stählernen Eingangstür klar, dass dieses Museum kein gewöhnliches ist.

Es ist ein „Museum ohne Ausgang“, wie Architekt Daniel Libeskind es nennt. Und wer es durch die grauen Gänge bis zu Nussbaums Bild „Triumph des Todes“ geschafft hat, ist am Dead End. Von dort führt der Weg nur noch zurück. Damit und mit vielen weiteren symbolischen Details in der Gebäudestruktur nimmt Libeskind Bezug auf den Holocaust und das Leben des 1944 in Auschwitz ermordeten Malers.

Diesen Mahnmalcharakter hat Libeskind mit dem jetzt eröffneten, drei Millionen Euro teuren Anbau empfindlich gestört. Die zersplitterten Fensterformen und der schräg gesetzte Eingang lassen zwar sofort die Handschrift des Architekten erkennen. Doch statt durch eine schwere Stahltür geht man erst einmal durch eine Glastür in einen hellen Empfangsraum. Von dort führt die nun überdachte und verglaste Brücke zum eigentlichen Eingang des Museums.

An das in sich geschlossene Architekturkonzept des Nussbaum-Hauses anzuknüpfen, wäre aber auch kaum möglich gewesen. Das macht auch die räumliche Trennung des eigentlichen Museums und seines Anbaus deutlich. Allerdings hatte Daniel Libeskind selbst gar nicht vor, inhaltlich an das architektonische Konzept des Nussbaum-Hauses anzuknüpfen. Es sei eine „neue Komposition“, erklärte er bei der Eröffnung des Neubaus und der Wiedereröffnung des Museums.

Der Anbau sei ein „Tor“ ins 21. Jahrhundert, sagt Libeskind. Das Museum öffne sich so zur Stadt, was dadurch deutlich werde, dass sich die umliegenden Gebäude der Altstadt in den Fensterscheiben spiegelten.

Bei aller Deutungswut gilt allerdings: Den Anbau gibt es vor allem deshalb, weil das Museum ganz praktische Mängel aufwies. Sowohl Garderobe als auch Café waren bei großem Besucherandrang zu klein. Beides findet nun zusammen mit einem Vortragssaal und einer Mediathek in dem zweigeschossigen Erweiterungsgebäude Platz. Außerdem haben das Nussbaum-Haus und die benachbarten drei Museumsgebäude nun einen gemeinsamen Eingangsbereich.

Das engere Zusammenrücken der Häuser soll mit der Wiedereröffnung auch durch eine gemeinsame Ausstellung von Nussbaum-Haus und Kulturgeschichtlichem Museum deutlich werden. Unter dem Titel „Anmut und Würde“ hat man Felix Nussbaums Bilder und einige Grafiken Albrecht Dürers aus dem Kulturgeschichtlichen Museum gegenüber gestellt.

Dieser Vergleich ist unter anderem deshalb interessant, weil er zeigt, dass Nussbaum auf seinem Bild „Mann mit Blume“ antike Vorlagen verarbeitet. Auch einige Beiträge zeitgenössischer Künstler sind sehenswert, etwa die Videoinstallation „Barbed Hula“ der in Jerusalem geborenen Sigalit Landau. Die Künstlerin lässt einen Hula-Hoop-Reifen aus Stacheldraht um ihren nackten Körper kreisen – ein Kommentar zur politischen Situation in ihrem Land.

Alles in allem wirkt die Zusammenstellung der Beiträge allerdings recht halbherzig und leuchtet das eigentlich sehr große Thema Würde nicht aus. Das liegt sicher auch an dem eher kleinen Etat für die Ausstellung. Ein überregionales Publikum wird die Schau so aber nicht anziehen. Das muss vorerst die Architektur erledigen. Das indes ist nicht neu: Schon immer kam ein Teil der MuseumsbesucherInnen, um das Gebäude selbst zu sehen. ANNE REINERT