bücher aus den charts: „Ausgebrannt“ von Andreas Eschbach träumt den Traum des zerbrechenden amerikanischen Imperiums
Markus Westermann möchte, als er in die USA kommt, ein linientreuer Funktionär des Kapitals werden. In das entsprechende Formular trägt er sich mit einem amerikanisch modifizierten Namen ein, Mark S. Westman, und die Vision, die den machtgeilen Yuppie antreibt, ist das Hochhaus, das als Westman Tower Weltmacht ausstrahlt.
Am Ende gibt’s tatsächlich einen gläsernen Zylinder, der seinen Namen trägt und der weltweit verbreitet ist, ein praktisches Gerät, mit dem man aus Abfällen Treibstoff gewinnt, vegetarisches Benzin sozusagen; während das Erdöl und die Erdölförderung sozusagen Fleischfraß waren, Fleischfraß an Mutter Erde selbst. Damit ist es nach Markus Westermanns Lehr- und Wanderjahren vorbei. Sein Bildungs- und Erziehungsroman hat, wie es das Genre vorschreibt, die Größenideen seiner Jugend zerstört. In der Gestalt seines Zentralfetischs, der USA. Sie sind zerfallen, nur Einzelstaaten überleben; ein Rest von Bundesregierung sitzt in Philadelphia, der Großteil der ehemaligen Union liegt brach.
Der massive Tagtraum, dass die USA vergehen möchten wie das alte Rom, hat nicht aufgehört, die Mittelklassen, insbesondere ihrer kritischen Fraktionen zu faszinieren – damit wir alle in kleinen Nationalgemeinschaften ohne Anspruch auf Weltherrschaft unser friedliches Leben führen. Bei einem Roman darf man nicht prüfen, ob der zentrale Tagtraum, der ihm zugrunde liegt, der Realität entspricht. Vielmehr, was der Roman daraus macht. Und in dieser Hinsicht kann man Andreas Eschbach nur loben.
So weiß der Leser zwar gleich, worum es in der Hauptsache geht, das Ende der Erdölwirtschaft. Aber worauf Markus Westermanns Erziehungsroman hinausläuft, darüber bleiben wir lange im Unklaren. Zunächst scheint es, als käme der Yuppie seinem Lebensziel flink näher, dank Karl Walter Block, Österreicher, Exzentriker, Antiakademiker, der dank genialer, aber undurchsichtiger Methoden überall da Öl finden will, wo niemand mehr sucht. Lange folgen wir diesem Strang der Geschichte, bis Eschbach das Genie Block aus dem Spiel nimmt. Er hat ihn mit echten Austriazismen ausstaffiert, Waschln, sagt Karl Walter Block, Haftlmacher, fretten. Auch der Finanzmarkt tritt in echten Terminologien in Erscheinung; sowie Erdölförderung, Spülkopf, Meißellauf, Futterrohre, Fangdorn. Was er sich unter einem Ölfeld vorzustellen hat, wenn der Leser das nächste Mal in der Zeitung davon liest: Der Roman wird nachwirken. Dasselbe gilt für die Geldströme der Globalisierung, die amerikanische Außenpolitik, das Königshaus von Saudi-Arabien.
Umsichtig führt Andreas Eschbach sein Personal. Der desillusionierte CIA-Mann Taggard, der auftragsgemäß Markus Westermanns Vater die Erfindung geklaut hat, die schließlich die Weltwirtschaft retten wird mittels vegetarischen Benzins – jaja, der deutsche Erfindergeist. Die heiße Sinoamerikanerin Amy-Lee, die Westermann mittels Geschlechtsfreuden ihrem Milliardärsvater untertan machen soll; aber dann ist es wahre Liebe, und die CIA sprengt den Milliardär in die Luft. Westermanns Schwester Dorothea, die mit ihrem Ehemann eine superschöne Villa auf der Schwäbischen Alb bewohnt, die leider superviel Energie verschlingt – am Ende betreibt sie intelligent den alten Kramladen des Dörfchens, noch so ein Tagtraum der akademischen Intelligenzija, das einfache Leben. Das alternative Dorf in den USA, in das seine Wanderjahre Markus Westermann kurzfristig verschlagen, steht leider unter einem fundamentalistischen Prediger.
Nein, das ist alles schön und sauber gearbeitet. Die Prosa glänzt nicht, aber sie schreitet munter fürbass. Bei der Verfilmung müssen ein paar Handlungsstränge gekappt werden. Hochgradig besetzen! Matt Damon kriegt einen tumben Deutschen weit besser hin als Moritz Bleibtreu. MICHAEL RUTSCHKY
Andreas Eschbach: „Ausgebrannt“. Roman. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2007, 750 S., 19,95 Euro
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