Späte Prozesse

In den Neunzigerjahren begann eine Reihe von Prozessen gegen deutsche Kriegsverbrecher in Italien, nachdem Akten der italienischen Militärjustiz wieder zugänglich gemacht waren, die aus Rücksicht auf die Beziehungen zu Deutschland in den Sechzigerjahren eingelagert worden waren. Im Zuge dieser Prozesse wurde in Abwesenheit auch Gerhard Sommer der Prozess gemacht.

Sommer wurde als Offizier jener 16. SS-Panzergrenadierdivision angeklagt, die am 12. August 1944 in dem toskanischen Dorf Sant’Anna nach Partisanen suchte und die 560 alten Leute, Frauen und Kinder, die sie stattdessen vorfand, erschlug, erschoss und verbrannte. Angehörige seiner Kompanie hatten gegenüber den Alliierten bezeugt, dass Sommer vor Ort gewesen sei und den Schießbefehl erteilt habe.

Das Militärgericht von La Spezia verurteilte Sommer vor zwei Jahren zu lebenslanger Haft und zu einer Geldstrafe. Mittlerweile hat es einen Antrag auf Auslieferung Sommers gestellt, der aber von italienischer Seite zurzeit noch geprüft wird.

In Deutschland ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart seit dem Jahr 2002 gegen Gerhard Sommer. Die Vertreterin eines italienischen Nebenklägers, die Hamburger Rechtsanwältin Gabriele Heinecke, hält die Anklagereife für längst erreicht. Doch der Staatsanwaltschaft erscheine es noch nicht ausreichend belegt, dass Gerhard Sommer am 12. August 1944 bereits Kompanieführer gewesen sei. Zudem müsse noch geklärt werden, ob es sich bei den zu verhandelnden Verbrechen um Mord handelt oder um Totschlag.

In letzterem Fall wäre eine Verjährung eingetreten und würde ein Strafprozess nicht mehr eröffnet. Für eine Anklage wegen Mordes muss die Tat von besonderer Grausamkeit gewesen sein. FRIEDERIKE GRÄFF