Ausnahmestrafe für reumütigen Bankräuber

Zwei Jahre auf Bewährung: Ein Hamburger Bankräuber stellt sich nach fast sieben Jahren selbst der Polizei und wird mit einer milden Strafe für seine Ehrlichkeit belohnt. Nach dem Täter hatte schon lange niemand mehr gesucht

Stundenlang hat Steffen W. in dem Imbiss rumgelungert, der direkt gegenüber einem kleinen Polizeirevier in Wismar liegt. Ein Bier und noch eins. Die Zeit rann dahin, sein Alkoholpegel stieg. Dann fasste er sich plötzlich ein Herz. Er stellte die letzte Flasche auf den Tresen, ging über die Straße, betrat das Revier und beichtete dem verdutzten Diensthabenden, dass er sechs Jahre zuvor in Hamburg zwei Banken überfallen hat.

Ehrlichkeit, hat er dadurch gelernt, kann sich doch auszahlen: Sein Gewissen, das ihn Jahre plagte, ist erleichtert – und ins Gefängnis muss der Geständige trotz der Schwere seiner Taten nicht: Das Hamburger Landgericht verurteilte ihn gestern zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren.

Außer Steffen W. selbst hat an die Banküberfälle, die im Januar 2000 begangen wurden, schon seit Jahren niemand mehr gedacht. Die Akten der Polizei waren längst geschlossen. Es gab keine Spuren, keine Hinweise auf den Täter, nichts, was diesen Fall jemals zur Aufklärung hätte bringen können. Also wurden die Ermittlungen eingestellt. Als die Staatsanwaltschaft durch das überraschende Geständnis plötzlich wieder auf den Fall gestoßen wurde, mussten die Akten erst mühsam wieder aufgetrieben werden. Sie waren längst in einer abgelegenen Ecke des Archivs vergessen.

Für Steffen W. hingegen verging kaum ein Tag, an dem er nicht mindestens einmal daran denken musste, was er damals als 29-Jähriger unter starkem Drogeneinfluss tat: Um sich Geld für Kokain zu beschaffen, betrat er mit seiner Gaspistole zunächst eine Bankfiliale am Klosterstern. Als die Angestellte, von der er unter Vorhalt der Waffe Geld verlangte, ihn ganz abgebrüht abblitzen ließ, bedrohte er noch kurz eine Kundin, dann rannte er ohne Beute davon. Eine knappe halbe Stunde später dann stürmte er in eine Filiale in Lurup. Dort nahm er gleich eine Kundin als Geisel, die er mit der – offenbar ungeladenen – Gaspistole bedrohte. 1.961 Euro rückte die Kassiererin schließlich heraus. Steffan W. floh.

Das wäre die Geschichte gewesen, hätte nicht ständig sein Gewissen an ihm genagt. „Ich konnte nicht mehr so gut damit leben“, gab er als Grund für das überraschende Geständnis an. Das Gericht honorierte, dass sich Steffan W. ohne Not selbst vor Gericht gebracht hat: „Das Geständnis war strafbegründend“, sagte der Vorsitzende. So „untypisch dieser Fall begonnen hat, so untypisch endet er auch“, führte der Richter dann zur verhängten Strafe aus. Denn ohne das freiwillige Geständnis wäre eine Bewährungsstrafe undenkbar gewesen: Hätte die Polizei W. aufgespürt, klärte der Richter ihn auf, wäre er für rund sieben Jahre ins Gefängnis gekommen.ELKE SPANNER