Entschieden zu unentschlossen

Viel zu viele Antworten auf die Frage, wie Macbeth heute aussehen könnte gibt die Bremer Shakespeare Company in ihrer neuesten Produktion

Erik Robanders Macbeth klingt bestenfalls wie Clown Pippo

VON BENNO SCHIRRMEISTER

Es gibt gute Ansätze, keine Frage. Die zu einer kondensierten drei Hexen zum Beispiel: Frank Auerbach verleiht dieser Person in der neuen Macbeth-Inszenierung der Bremer Shakespeare Company eine geradezu verträumt in sich ruhende Gemeinheit. Und obwohl die Gestalt mit Riesenfingern, wallendem Kleid und vollem Bart radikal überzeichnet ist, merkt jeder: Obacht. Diese Figur ist gar nicht komisch. Hier spricht das Urböse.

Auch Janina Zamani ist lobend zu erwähnen: Ihre Lady Macbeth gewinnt im Laufe der zweieinhalb pausenlosen Stunden deutlich an Kontur, und ihr Wahnsinn bleibt still, ja es ist ein geradezu biedermeierlicher Hausfrauenwahnsinn: Im berühmten Schlafwandel-Monolog nimmt Zamani, ganz ins Imaginäre abgetaucht, wie belustigt die vermeintlichen Blutflecken an ihren Händen wahr. Sie versucht sie wegzurubbeln. Und dass das nicht klappt nimmt sie mit staunendem Lächeln zur Kenntnis. Fast als flirte sie mit den Schandmalen. Wäre sie vernarrt in ihre Mitschuld? Warum auch nicht: Das Shakespearsche Massenmörder-Drama legt eine deutliche Spur zur Erotik der Gewalt.

Ebenso wichtig, ebenso gut: Dass die Shakespeare Companieros offenbar die Idee hatten, auf zwanghafte Komik diesmal weitgehend zu verzichten. Nur leider spielt das Publikum nicht mit. Und das liegt nicht allein daran, dass Leibnizplatz-Theaterbesucher seit Jahren darauf getrimmt werden, mit Lachern gespickte amüsante Abende zu verbringen. Dass jeder Shakespeare-Horror so weit runtergedimmt wird, dass kein Albtraum überbleibt, ist die Erwartungshaltung, die Jörg Steinbergs Macbeth-Inszenierung enttäuschen wollte. Und gegen sie wäre anzuspielen gewesen. Dass es missglückt, liegt auch an den schauspielerischen Fähigkeiten. Natürlich ist es hinderlich, dass Christian Bergmann in den Rollen des Alt-Königs Duncan und des Macbeth-Bezwingers Macduff nur über die stimmlichen Optionen Schreien oder Nichtschreien verfügt. Und peinlich-hölzern wirkt der bauerntheatrale Schwertkampf im Schlussakt. Am schlimmsten aber, dass es Erik Roßbander nicht gelingt, der Titelfigur Tiefe zu verleihen. Aller Nachhall des Entsetzens fehlt. Bezeichnend dafür: Die Szene kurz nach dem Mord. Die Lady schickt Macbeth zurück ins Zimmer des gemeuchelten Königs. Er hat vergessen, den Tatort zu präparieren. Macbeth sagt Nein. Diese Weigerung ist der Siedepunkt des Psycho-Dramas. Bei Roßbander klingt sie bestenfalls nach Clown Pippo, der motzt. Die Zuschauer lachen herzlich.

Nun hat man Roßbander schon besser gesehen, und vielleicht ist die Tagesform schuld an seinem mimischen Totalausfall. Wahrscheinlichere Ursache aber ist die Inszenierung: Sie zeichnet sich aus durch eine entschiedene Unentschlossenheit. Steinberg hat sich, ganz offensichtlich, die Frage gestellt, wie ein heutiger Macbeth aussehen könnte. Und er hat allzuviele Antworten gefunden: Macbeth tritt auf als archaischer Kämpfer und als spießiger Karrierist und, im Zusammenspiel mit der Gemahlin, als Sadomaso-Lover, ist mal hitzig, mal unterkühlt, trägt mal weißes Hemd zum Kilt, mal offene Brust, und immer Springerstiefel. Die kahle Bühne mit Graben und Höckerchen wird mitunter beregnet, mitunter nicht, bisweilen in rotes Licht getaucht, dann wieder weiß angestrahlt und ach, halt erneut beregnet.

Facettenreich könnte man das nennen. Bloß ist Macbeth, ganz Blut in Blut, ein bewusst eintöniges Stück: Ganz egal, ob man es als überhitzte Splatter-Komödie gibt, oder, wie einst Heiner Müller, in eisiger Schäbigkeit als Vorgriff auf die Totalitarismen des 20. Jahrhunderts, oder gar als klaustrophobes Ehedrama – es funktioniert immer, wenn die Regie den Mut aufbringt, die Zuschauer durch Monotonie ein wenig zu quälen. Wer stattdessen – ja, ja: gute – Ansätze multipliziert, erreicht nichts als quälende Langeweile.