Drinnen gibt’s auch Kännchen

An einem Sonntag im März war die Messehalle in Husum voll mit Trödel und Kitsch. Auf Norddeutschlands größtem Hallenflohmarkt wurde gefeilscht, gegrabbelt – und manches kuriose Stück gefunden

AUS HUSUM JULIA BRODERSEN

Auf der gehäkelten Tischdecke steht ein Eichhörnchen. Drückt man den hölzernen Schwanz nach unten, knackt es zwischen seinen Pfoten eine Haselnuss. Zwanzig Euro soll das Stück kosten. „Maximal zwölf und nicht ein Cent mehr“, sagt der Mann mit grauem Schnauzer. Für vierzehn Euro rutscht das Eichhörnchen schließlich in seinen Rucksack. Er geht zwei Schritte weiter und steht bereits vor dem nächsten Stand.

Norddeutschlands größter Hallenflohmarkt füllt die Messehalle Husum mit Kaffeekännchen, Kitsch und Kaufgier. Auf mehr als 4.300 Quadratmetern Verkaufsfläche sind 300 Händler vertreten. „Bei uns wird noch richtig Flohmarkt gemacht“, sagt Martin Petersen vom Marktbüro, „neunzig Prozent sind hier private Händler.“ Darauf ist er schon ein bisschen stolz.

Im Reißverschlussverfahren schleust man sich an den einzelnen Ständen vorbei. Sanddornmarmelade, eine Playmobil-Schatzinsel, Schnapsgläser in Form von Piranhas mit weit geöffnetem Maul – der Riesenflohmarkt umgibt einen von links, rechts, vorne – und von oben. Aus den Lautsprechern unter der Decke kommt die Durchsage: „Luisa möchte bitte aus dem Kinderland abgeholt werden.“ Für einen kurzen Augenblick denkt man, es wäre doch Ikea. „Das Konzept, dass wir hier eine spezielle Kinderbetreuung eingerichtet haben, kommt sehr gut an“, sagt Martin Petersen, „die Eltern können so entspannter bummeln.“

Magdalena Merxtorf ist auf der Suche nach Kaffeemühlen. Die sammelt sie schon seit Jahren, aber hier in der Messehalle hat sie bis jetzt noch keine gefunden. Der Trolley, den ihre siebzehnjährige Tochter Angelika hinter sich her zieht, ist trotzdem proppenvoll. An der Seite kuckt ein Teddyohr heraus. „Den fanden wir einfach süß, und dazu ist er schon sehr alt“, sagt Mutter Merxtorf. Bereits seit zehn Uhr schieben sie sich durch die engen Reihen, den Blick immer leicht flach auf die Verkaufstresen gerichtet. „Wir stöbern lieber bei privaten Verkäufern“, sagt die Sammlerin, „das hat doch viel mehr Flohmarkttradition als irgendwelche Stände, die nur Neuware verkaufen.“ Für den Riesenflohmarkt sind sie extra von der Insel Pellworm angereist. Richtig überzeugt sind sie von dem Verkauf in der Halle aber nicht. Die ganze Atmosphäre sei etwas bedrängend, sagt Merxtorf. „Uns gefällt da im Sommer der Bürgerflohmarkt in Husum viel besser.“ Vielleicht gibt es da dann ja auch Kaffeemühlen.

Zwischen acht und sechzehn Uhr schieben sich rund 9.000 Besucher durch die Messehalle. Hartmut Laube sitzt dagegen bequem auf seinem Campinghocker. Er ist hier, weil seine Kinder ihm mal wieder Sachen zum verhökern gegeben haben. Die liegen nun alle vor ihm ausgebreitet auf einer weißen Weihnachtsdecke. Seit vier Jahren ist er beim Hallenflohmarkt in Husum dabei. „Das macht hier einfach Spaß“, sagt Laube, „vor allem weil man langsam viele Aussteller kennt und dann hin und wieder bisschen schnacken kann.“ Im Alltag ist er Zimmerer. Die zwei Blumentröge mit weißen Holzgänsen hat er selbst gemacht. Neben Bastelarbeiten und Spielzeug hat er auch ein paar Schätze auf der Tischdecke liegen. „Echte Sammler zahlen mir sogar manchmal bis zu 1.000 Euro für eine alte Taschenuhr“, sagt der Dithmarscher.

Während drinnen alles mehr oder weniger geordnet auf den Verkaufstischen liegt, bläst draußen der Sturm das Plastikbesteck vom Tresen der Würstchenbuden. Hin und wieder riecht es im Hallen-Eingang nach Currywurst und Zuckerwatte. Genau dort steht Ilka Nießen mit ihrem Sohn John. „Die Idee einen Flohmarkt hier in der Halle zu veranstalten finden wir super“, sagt die junge Mutter, „da ist man wetterunabhängig.“ Sie stehen hier, weil das Konto vom Sohnemann mal wieder leer war. Deshalb verkaufen sie Playstationspiele. „Die laufen bei uns hier am besten“, sagt Nießen. Am Morgen hat sie sich verzockt: Ein Händler hat früh morgens einen Schwung Spiele günstig von ihr erworben und später zum doppelten Preis weiterverkauft. „Das ist doch nicht mehr der Sinn von Flohmarkt“, sagt Ilka Nießen säuerlich.

Erst hört man seine quietschende Tröte, dann seine Stimme: „Leute, kauft!“ Tröte und Stimme gehören Hermann Jensen. In seinem blauen Fischerhemd mit rotem Seemannshalstuch fällt er schon aus mehreren Reihen Entfernung in den Blick. Seit fünfzehn Jahren ist er im Flohmarktgeschäft. Und das nur, weil es ihm Spaß macht. „Wenn irgendwann bei mir das Dollarzeichen in den Augen leuchtet, dann höre ich sofort mit diesem Job hier auf“, sagt Jensen. Seit vor zehn Jahren der Hallenflohmarkt in Husum gegründet wurde, ist der Schleswig-Holsteiner jedes Mal mit Porzellangeschirr, Ölgemälden und Silberbesteck dabei. Unter seinem Tresen sind Kartons gestapelt. „Ich weiß genau, was ein paar Stammkunden von mir interessiert“, sagt Jensen. Das legt er erst gar nicht auf den Tresen.

Aus den Boxen kommt bereits die nächste Durchsage: „Die Dame, die gerade eine weiße Teekanne aus Porzellan gekauft hat, gehe bitte zum Stand zurück. Der Deckel wurde vergessen.“ Wenn hier selbst eine Kanne ihren Deckel findet, kann der Flohmarkt wohl doch nicht so riesig sein, wie er wirkt.

Weitere Flohmarkttermine in Schleswig Holstein unter www.marktbuero.de