Der es den Leuten nicht leicht macht

Als Hamburgs Generalmusikdirektor suchte Hans Zender einst die neue Musik dem Publikum nahe zu bringen – bis er entnervt aufgab. Jetzt kehrt er zurück in die Hansestadt: für ein kleines, wohl überlegtes Festival zu seinen Ehren

„Die Sinne denken“, so lautet der Titel eines Essaybandes von dem Komponisten und Dirigenten Hans Zender. Mit drei Worten ist hier die zentrale Botschaft des Musikers Zender auf den Punkt gebracht: Musik und Hören sind geistige Arbeit, eine begriffslose, sensorische Form der Intelligenz. Klingt anstrengend? Ist es auch – und das ist gut so. Sagt jedenfalls Hans Zender, der Kunst grundsätzlich als Exerzitium und „geistige Vertiefung“ versteht: „Es ist nicht der Sinn der Sache“, findet er, „es den Leuten leicht zu machen.“

„Musik ist eine höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie“, so wird schon der alte Beethoven gern zitiert. Und Zender zieht von ihm über Brahms und Schönberg bis zu Bernd Alois Zimmermann und Helmut Lachenmann eine Linie in die Gegenwart – sich selbst nennt er nicht. Auch in Sachen Eigen-PR gilt bei ihm noch die alte Schule.

Werbung für Hans Zenders Musik macht dafür nun die Hamburger Hochschule für Musik und Theater, die dem Komponisten ab heute ein Festival mit öffentlichen Workshops, Konzerten und einem Komponistengespräch widmet. Ermöglicht wird das Festival durch die Zeit-Stiftung. Die lässt dem „Studio 21“ der Hochschule über drei Jahre verteilt insgesamt 180.000 Euro zukommen, damit in der norddeutschen Tiefebene einige Leuchtturmprojekte mit Musik des 21. Jahrhunderts realisiert werden können.

Wie schwer es sein kann, in Hamburg für die zeitgenössische Musik in die Bresche zu springen, hat Zender selbst erfahren: Von 1984 bis 1987 war er Generalmusikdirektor und versuchte, den hiesigen Konzertbetrieb grundlegend umzukrempeln: Er gab pro Saison vier neue Werke in Auftrag, setzte regelmäßig Musik des 20. Jahrhunderts auf das Programm seiner Abonnementkonzerte und vermittelte die ungewohnten Klänge in öffentlichen Proben und „Philharmonischen Werkstätten“. Allerdings währte solcher Elan nur etwa drei Jahre. Dann schmiss Zender das Handtuch und kehrte der Hansestadt den Rücken.

Über seine Zeit an der Elbe redet Zender heute nur widerstrebend, umso lieber dafür über sein kompositorisches Werk, dessen beide wichtigsten Stränge nun beim Festival präsentiert werden. Da ist zum einen Zenders tiefe Liebe zur ostasiatischen Kultur; eine „schockartige, grandiose“ Erfahrung nennt er die „alte japanische Kultur“. In ihrer Strenge fand er eine Alternative zu Subjektivismus und genialischem Individualismus, die der europäischen Musik seit der Romantik innewohnen. Und er fand in ihrer konzentrierten Statik ein anderes Verständnis der Zeit, das ohne die Idee des Fortschritts auskommt. In Stücken wie seinen „Fünf Haikus“ für Flöte und Violoncello oder „Muji no Kyô“ für Stimme, Ensemble und Synthesizer hat Zender diese Erfahrung zu übertragen versucht.

Der zweite Strang verbindet sich mit dem Begriff „Erinnerung“: In seinen Bearbeitungen von Stücken Haydns, Schuberts oder Schumanns hat er die Musik vergangener Jahrhunderte in einer aktuellen Lesart vergegenwärtigt. Seine Version der Schubert’schen „Winterreise“ ist im Konzert, auf CD und in der Choreografie von John Neumeier sogar auf der Ballettbühne ein echter „Hit“ geworden. Typisch für Zender ist allerdings, dass er die Organisatoren des Hamburger Festivals nun dafür lobt, diese Bestseller gerade nicht ausgewählt zu haben. Stattdessen werden mit „Denn wiederkommen“ und „Mnemosyne“ zwei Stücke aus dem durchgeistigten Streichquartett-Zyklus „Hölderlin lesen“ zu hören sein. Denn nach eigener Auskunft ist Zender ja ein „nicht gerade bequemer Komponist“. ILJA STEPHAN

14.–18. 4., Hochschule für Musik und Theater, Hamburg. Details unter www.hfmt-hamburg.de