ZWISCHEN DEN RILLEN: Auf der Suche nach dem Soul
Y’akoto „Moody Blues“ (Warner Music)
„Moody Blues“ nennt Y’akoto ihr nunmehr zweites Album. Es ist der Nachfolger ihres vielgelobten Debüts „Babyblues“ 2012 und genau wie dieses ein sehr persönliches Werk. Jennifer Yaa Akoto Kieck singt von den Unsicherheiten des Lebens. Die Momente des eigenen Taumelns und Sehnens sind zentrale Themen.
Y’akoto fällt dabei aber mitnichten in leidende Wehklage. In „Perfect Timing“ stellt sie etwa zwischen rhythmischen Bassläufen, schunkelnden Geigen und frechen Bläsern die Zeile „I miss you“ neben „I miss the train/ I miss the bus“ und beweist damit Selbstironie. Und es lebt auch von seinem Abwechslungsreichtum: Getragene Stücke wechselt sie mit Uptempo-Nummern ab, wie dem schmissigen „Save You“. An Blues und an kenianische Highlife-Musik erinnert „Moody Blues“ auch so manche Stelle. Oft denkt man zuerst an US-Soul in seinen neueren Ausprägungen. Y’akoto selbst beschreibt ihre Kompositionen als „Soul Seeking Music“ und wehrt sich damit gegen einfache Schubladisierung.
Die ersten Takte des Albums stellen den Kontakt zwischen Hörern und Künstlerin her. Ihre Stimme nimmt einen gebührenden Raum, schlägt Bögen zwischen bluesigem Drama, kehlig hervorgepresster Theatralik und unaffektierter, sprachnaher Erzählweise. Nur eine gezupfte countryfizierte Gitarre begleitet den Gesang. So auf das Nötigste reduziert, tritt „Come Down To The River“ sofort sehr nahe. Doch dabei bleibt es nicht. Mit dem Einsatz von Schlagzeug, Bläsern und mehrstimmigen Gospelchören rückt das Stück immer weiter weg.
Die Produktion von „Moody Blues“ ist gelungen, alle Elemente sind ganz dezent und zurückhaltend in das Klangbild gemischt, die tänzerische Melancholie des Anfangs bleibt jedoch irgendwo stecken. Das wiederholt sich leider auch in der Rausschmeißer-Ballade „Forget“. Eine schöne Eingangsmelodie macht sie sehr griffig, die poppige Produktion mit jaulender E-Gitarre scheint ihr aber etwas wegzunehmen. Sicher könnte man den eigenen Liebeskummer bequem in dieses Stück hineingießen und darin zergehen, von allein rührt sich aber trotz Streichereinsatz wenig.
Boatpeople
Dafür fällt ein anderer Song deutlich aus der Reihe: „Off the Boat“ stellt thematisch wie konzeptuell den packendsten Moment des Albums dar. Über die Geräusch- und Stimmkulisse eines vollbesetzten Bootes hat Y’akoto in diesem Stück nur ihre erzählende Stimme und ein dumpfes, rhythmisches Schlagen gelegt. Zeilen wie „We sang some songs but we didn’t moan / We will never return to where we were born“ vermitteln darin ein beklemmendes Gefühl und wirken äußerst lebendig. Der Text erzählt eine Geschichte, die einem in den Nachrichten der letzten Jahre oft begegnet ist: Ein Flüchtling ertrinkt im Meer. „Dieses Lied ist schon lange vor ‚Babyblues‘ entstanden, also lange bevor diese große Aufmerksamkeit hier in Deutschland auf das Thema gerichtet war“, sagte Kieck in einem Interview. Sie selbst beschäftigt das Leid afrikanischer Flüchtlinge als Tochter einer deutschen Mutter und eines ghanaischen Vaters schon lange. Ihr Zuhause sei aufgeteilt – zwischen Hamburg, Paris und Lomé, der Hauptstadt Togos. Die Erlebnisse der Zerrissenheit in Westafrika hätten sie stark geprägt.
In verwandter Weise berichtet sie in „Mother and Son“ mit einfachen Worten im mehrstimmigen Chor von einer Familie ohne Vater, die hier exemplarisch für viele steht. Die zurückgenommene Begleitung besteht nur aus spartanischen Klavieranschlägen – das genügt vollkommen. In seiner Reduktion schafft das Stück nicht nur die größte Nähe, sondern auch den wohl stärksten emotionalen Ausdruck des Albums. Es bestätigt damit etwas, das „Moody Blues“ auch als Ganzes beschreibt: Wenn das Wenigste zu hören ist, erklingt die meiste Substanz. TABEA KÖBLER
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