Eine ferne Partnerschaft

China ist die dynamischste Wirtschaftsregion der Welt. Berlin könnte als langjährige Partnerstadt Pekings vom Boom profitieren. Doch das braucht einen langen Vorlauf. Köpenick versucht es nun

VON MARINA MAI

Aussprechen kann Gabriele Schöttler den Namen der Siebenmillionenstadt in China, die sie im Februar besucht hat. Aber schreiben? Luan? Oder Liuan? Die Bezirksbürgermeisterin von Treptow-Köpenick wühlt in einem Stapel Visitenkarten, die sie aus dem Reich der Mitte mitgebracht hat. Auf einem Kongress des chinesischen Unternehmerverbandes in Peking referierte die SPD-Politikerin über kleine und mittelständige Unternehmen in Deutschland und tourte anschließend durch drei Städte im boomenden Nordosten des Landes: Zhengzhou, Shaolin und eben Luan. Oder doch Liuan?

Mit fast 10 Prozent hat China weltweit das höchste Wirtschaftswachstum, und der Bedarf an Erfahrungen aus Deutschland ist riesig, hat Schöttler erfahren. „Die Kommunalpolitiker und Unternehmer dort haben mich vor allem nach Partnern aus den Bereichen erneuerbare Energien, Wasser- und Abwasserversorgung, Stadtplanung, Kultur und Arbeitsschutz gefragt.“ In diesen Bereichen liegen riesige Ressourcen für Berliner Unternehmer, ist sie überzeugt.

Deutschland hat einen guten Ruf in China, deutsche Produkte und deutsches Wissen verbindet man mit Qualität, und den Namen Berlin kennt man in der Partnerstadt Peking. In ihren Bezirk will Schöttler traditionelle chinesische Medizin aus dem berühmten Shaolin-Kloster holen: „Unser Bezirk mit Wald, Wasser und naturwissenschaftlichen Instituten wäre dafür ein hervorragender Ansiedlungsort.“

Wenn im September die Asien-Pazifik-Wochen in Berlin stattfinden, will Schöttler Unternehmer und Künstler aus ihrem Bezirk mit den Chinesen zusammenbringen, deren Visitenkarten vor ihr auf dem Tisch liegen. Die sollen sich kennenlernen und über gemeinsame Projekte nachdenken. Schnelle Erfolge werde es nicht geben, dämpft Schöttler die Erwartungen. „Mit den Chinesen muss man erst mal in Ruhe einen Tee trinken und über Gott und die Welt plaudern. Dann wächst Vertrauen. Aber danach entwickelt sich auch was.“

Diese Erfahrung hat auch Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) gemacht. Seit 2002 war er viermal in China. Hoffnungen auf chinesische Ansiedlungen in Berlin und Exportaufträge für Berliner Firmen hat er eine Menge. Aber die vorzeigbaren Ergebnisse sind bescheiden: Die Berliner Wasy-GmbH etwa, ein mittelständisches Unternehmen, hat immerhin den Auftrag für das Wassermanagement im Olympischen Dorf für die Pekinger Olympiade im nächsten Jahr erhalten. Und das chinesische Eisenbahnministerium hat letztes Jahr eine Niederlassung in Berlin eröffnet, um von hier aus Einkäufe aus ganz Europa zu tätigen.

Die wirtschaftliche Zusammenarbeit von Berlin mit seiner Partnerstadt Peking schätzt auch die Senatskanzlei eher bescheiden ein. „Dies ist wohl der globalen Konkurrenz geschuldet, die nach China und auch nach Peking drängt und mit der die eher kleinen und mittleren Berliner Unternehmen kaum mithalten können“, steht in einem Papier zur Städtepartnerschaft.

Die Opposition setzt hingegen auf eine direkte Flugverbindung Berlin – Peking. Als Friedbert Pflüger letzte Woche mit der Konrad-Adenauer-Stiftung in China für erneuerbare Energien warb, stellte er Interesse bei Air China an einem Nonstopflug fest. Er will sich jetzt bei der Bundeskanzlerin dafür einsetzen.

In Liuan oder Luan hat Schöttler Reinigungskräfte gesehen, die „im größten Verkehr mit Schippe und Besen die Straße sauber machen. Denn in China zählt der einzelne Mensch nicht so viel.“ Da hat sie sich über das Interesse der Stadtväter an Arbeitsschutz-Know-how aus Deutschland gefreut. „Wenn sich da etwas ändert, wäre das praktische Menschenrechtsarbeit.“