Der Terror des Assad-Regimes

SYRIEN Milizen durchkämmen Städte und Dörfer auf der Suche nach Organisatoren des Aufstands. Oppositionelle berichten von hunderten Festnahmen. Erneut mehrere Tote

Milizen verschleppen eine Gruppe von Ärzten aus Krankenhaus in der Stadt Banias

VON GEORG BALTISSEN

BERLIN taz | Mit Beschießungen, Abriegelungen und Hausdurchsuchungen gehen syrische Sicherheitskräfte weiter gegen die Proteste im Lande vor. In der Hafenstadt Banias, die am Sonntag von der Außenwelt abgeschnitten und mit Mörsern beschossen worden war, durchkämmten Milizionäre des Regimes in der Nacht zum Montag die Altstadt und nahmen dutzende Personen fest, darunter auch Frauen und Kinder. Ziel der Angriffe war auch das einzige Krankenhaus in der Altstadt, das zuletzt als Kommunikationszentrale gedient hatte. Dort gaben Menschen die Namen von Verhafteten und Gefolterten weiter. Nach Angaben von Gewährsleuten aus Banias wurde in der Nacht auch eine Gruppe von Ärzten aus dem Krankenhaus verschleppt.

Die Sicherheitskräfte drangen nach diesen Berichten auch in Häuser ein, die von den Bewohnern aus Angst vor einer Festnahme verlassen worden waren. In vielen Fällen seien diese Häuser ausgeraubt und anschließend die verbliebene Inneneinrichtung zerstört worden. In der Altstadt sind inzwischen Panzer aufgefahren, von denen aus mehrere Häuser unter Beschuss genommen worden seien. Nach Angaben der Einwohner habe es sich dabei um eine Vergeltungsaktion gehandelt, weil die Einwohner des Viertels am 10. April 2011 einen Angriff der alawitischen Miliz Shabihha, die unter der Führung des Präsidenten-Bruders Maher al-Assad steht, abgewehrt hatten. Über die Zahl der Opfer in der Stadt konnten die Gewährsleute keine Angaben machen. Nach ihren Berichten sind aber in den Dörfern um Banias am Wochenende mindestens sechs Menschen erschossen worden.

Eine ähnliche Vorgehensweise der Sicherheitskräfte meldeten Menschenrechtler am Montag auch aus der Gemeinde Tafas, die unweit der Stadt Deraa im Süden des Landes liegt. In Deraa selbst habe es erstmals seit Tagen wieder Strom und Wasser gegeben. Nach Angaben von Gewährsleuten befinden sich derzeit rund 6.000 Einwohner der Stadt in Haft. Auch aus Homs gab es Berichte über Razzien und Massenfestnahmen. Dabei suchten die Sicherheitskräfte gezielt nach Personen, die sie als Organisatoren der Proteste ansähen.

Aus der Stadt Deir ez-Zor im Osten des Landes berichtete die Nachrichtenagentur Reuters von zwei Toten. Demnach ging die Armee am Sonntagabend gegen Demonstranten vor, die den Sturz von Präsident Baschar al-Assad forderten. In der Stadt hatte es Augenzeugen zufolge wiederholt Proteste gegeben, nachdem Sicherheitskräfte vier Demonstranten getötet hatten.

Auch südwestlich der Hauptstadt Damaskus riegelte die Armee mehrere Vororte ab. Oppositionelle berichten, auf den Dächern des Vororts al-Moadhamija seien Scharfschützen postiert. Viele Einwohner flöhen durch Gärten und Felder, nachdem Spezialeinheiten mit der Festnahme von dutzenden Einwohnern begonnen hätten. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisation sind bei den Protesten bislang zwischen 650 und 800 Menschen getötet worden.

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