Überfall auf Journalisten der BBC

RUSSLAND Unbekannte zertrümmern Kamera und vernichten Material. Das Team recherchierte in Astrachan den Fall eines russischen Soldaten, der im Ukrainekrieg getötet worden sein soll

MOSKAU taz | Ein Fernsehteam der britischen BBC ist Anfang der Woche in der Wolgastadt Astrachan von drei unbekannten Männern überfallen worden. Nach Aussage der Journalisten hatte es das Überfalltrio auf die Kamera abgesehen, die sie dem Kameramann gewaltsam entrissen und zerstörten. Danach entkamen sie in einem wartenden Fluchtwagen.

Nach einer mehrstündigen Befragung durch die örtliche Polizei stellte das TV-Team fest, dass sich jemand auch in ihrem Wagen an Computern und Geräten zu schaffen gemacht haben musste. Mehrere Speicher und Festplatten waren gelöscht und Videomaterial vernichtet worden. Das Team hatte zuvor die Geschichte eines Soldaten recherchiert, der vermutlich beim Einsatz des russischen Militärs in der Ukraine gefallen war. Seine Beisetzung in einem Dorf in der Nähe von Astrachan fand im Geheimen statt.

Es war nicht der erste Angriff auf Journalisten, die sich mit dem heiklen Thema der Beteiligung russischer Truppen am Ukrainekrieg befassen. Moskau hält an der Version fest, keine Soldaten im Einsatz zu haben – trotz erdrückender Gegenbeweise. Ende August wurde der Chefredakteur der Zeitung Pskowskaja Gubernija, Lew Schlossberg, auf offener Straße zusammengeschlagen. Die Zeitung hatte als erste von „geschlossenen Beisetzungen“ in der Region berichtet. Journalisten, die später die Gräber besuchen wollten, wurden nicht nur daran gehindert, auch die Namensschilder der Gefallenen wurden abmontiert.

Mehr als hundert Soldaten einer Fallschirmjägereinheit aus Pskow sollen bei einem Einsatz im August in der Ukraine zu Tode gekommen sein. Ihre Leichen seien mit den weißen Lkw des ersten russischen humanitären Hilfskonvois aus der Ukraine herausgebracht worden, berichteten Augenzeugen. Auch in den Gebieten Swerdlowsk, Kurgan, Kostroma und der Republik Baschkirien fanden in den letzten Wochen heimlich Begräbnisse statt.

Überdies häufen sich Hinweise, dass Behörden Familien unter Druck setzen, die Todesursache des Angehörigen – wenn sie denn überhaupt in Kenntnis gesetzt wurden – für sich zu behalten. Ein Gefallener aus Pskow lebt auch nach dem Tod noch weiter. Auf seinem Handy meldet sich die Stimme eines Mannes, der sich für den Toten ausgibt. Nur wenige Angehörige reagieren noch auf Anfragen. Der Tod ihrer Nächsten hat sie zu Geheimnisträgern gemacht. KLAUS-HELGE DONATH