berliner szenen ...Schöner strahlen

Ein Platz zum Arbeiten

Langsam, leicht, so ganz allmählich wurde das Licht hochgedimmt. Am Morgen, wenn ich mich gegen neun an den Schreibtisch setzte, begann die Sonne die Dachgeschosswohnungen des Hauses schräg gegenüber zu berühren. Von unten nach oben schaute ich der Sonne zu, wie sie sich ganz langsam an den hässlichen Wänden entlangtastete. Manchmal konnte ich Sonnenstrahlen sehen, die von zwei Fenstern dort drüben reflektiert wurden und in mein Zimmer fielen, in dem ich zwischen zwei Fenstern saß.

Ich hatte wieder versucht, meine Schreibtischsituation irgendwie zu verbessern, und saß dort in der Erwartung, nun ruhiger arbeiten zu können. Doch eigentlich war es zu hell; verglichen mit dem Licht von draußen war der Monitor zu dunkel, das Licht hinter meinen Buchstaben nicht hell genug. Ich probierte unterschiedliche Fonts in unterschiedlichen Schreibprogrammen, lief in die Küche, gab irgendwelchen Pflanzen Wasser, und als die Sonne mit dem Haus auf der anderen Straßenseite fertig geworden war, wurde es langsam wieder dunkler. Diese Zeit, in der die Sonne direkt auf die Straße fiel, weder mein Haus noch das Haus auf der andren Straßenseite berührte, schien endlos, auch wenn es vielleicht nur drei Stunden waren. Ab zwei schien die Sonne, erst schräg und dann mehr, in mein Zimmer. Gegen vier erreichte sie mein Gesicht, blieb dort ein paar Minuten und verschwand dann wieder im späten Nachmittag.

So vergingen die Tage; rauchend starrte ich auf meinen Bildschirm und manchmal hinaus. Die Tage, an denen die Sonne nicht schien, an denen es bewölkt und vor allem halbwegs gleichbleibend hell war, gefielen mir eigentlich besser.DETLEF KUHLBRODT