Krieg um Wahlurnen in Nigerias Provinz

„Gegen drei Männer mit Messern hatten wir keine Chance“: Wie in einem kleinen Bundesstaat im Süden Nigerias die Gouverneurswahl vom Samstag in Gewalt und Unregelmäßigkeit ausartete. Natürlich siegt am Ende die Regierungspartei

AUS EKITI ILONA EVELEENS

Kugeln fliegen über die Köpfe der wartenden Menschen am Wahllokal. Schreiend fliehen die Wähler und suchen Deckung. Der schwarze BMW, aus dem die Schüsse gefeuert wurden, verschwindet in einer Staubwolke. Ein Leibwächter von Kayode Fayemi, Kandidat für den Gouverneursposten im Bundesstaat Ekiti, versucht, auf den Reifen des fliehenden Fahrzeuges zu schießen. Andere Leibwächter verfolgen den BMW in zwei Autos. „Das sind Leute von der PDP, die wollen unsere Wahlurnen stehlen“, ruft wütend ein alter Mann. „Die wissen, dass Fayemi siegen wird, und die einzige Art, das zu verhindern, ist Gewalt.“

Ähnliche Situationen wie hier im Dorf Ilepeju wiederholten sich Samstag mehrmals in Ekiti, einem kleinen Bundesstaat mit 2,3 Millionen Einwohnern im Südwesten von Nigeria, rund 200 Kilometer von Lagos entfernt. Ekiti gilt als beispielhaft für die Entwicklung der nigerianischen Politik seit der Demokratisierung des Landes 1999. Fayemi, Kandidat des oppositionellen Action Congress (AC) unter Nigerias Vizepräsident Atiku Abubakar, gehört zu den Nigerianern, die damals nach dem Ende der Militärdiktatur aus dem Ausland zurückkehrten und hofften, ein neues Nigeria aufbauen zu können. „Wir wollen Entwicklung bringen und alles tun, um von der Korruption wegzukommen, für die Nigeria so bekannt ist“, sagt er. Der letzte Gouverneur von Ekiti, ein Mitglied der regierenden Demokratischen Volkspartei (PDP) unter Staatschef Olusegun Obasanjo, wurde voriges Jahr wegen Korruption und Diebstahl seines Amtes enthoben. PDP und AC sind nun hier, wie überall im Süden Nigerias, die schärfsten Konkurrenten bei den Gouverneurswahlen.

Die Gouverneure der 36 Bundesstaaten Nigerias verfügen über viel Macht und Geld. Jeder Bundesstaat bekommt von der Zentralregierung einen Teil der staatlichen Öleinnahmen – Nigeria ist Afrikas größter Ölproduzent und fährt derzeit Milliardengewinne ein. Allein Ekiti kriegt jeden Monat mehr als 10 Millionen Euro. Die meisten Gouverneure stecken einen großen Teil des Geldes allerdings in die eigene Tasche.

In Ekiti glauben viele Bewohner, dass Fayemi nicht korrupt sei. „Er kommt aus Ekiti, er ist einer von uns“, sagt eine Wählerin. „Wir glauben, dass er uns aus dem Elend holen wird.“ Der Chef seiner Partei AC, Vizepräsident Abubakar, darf allerdings selbst wegen Korruptionsvorwürfen nicht zur Präsidentschaft antreten. „Keine Partei ist sauber, aber ich musste eine aussuchen, und die AC war nach meiner Meinung noch die beste“, erklärt Fayemi.

Die PDP, die Nigerias Zentralregierung stellt und auch die meisten Bundesstaaten regiert, tut alles, um ihre eigenen Kandidaten die Gouverneurswahlen gewinnen zu lassen. Dafür werden auch eigentlich neutrale staatliche Instanzen missbraucht, wie die Polizei. Im Ort Oye sitzt Ogunyeni Tagudeen von der Wahlkommission erschüttert neben seinen leeren Wahlurnen. „PDP-Leute kamen vorbei, nahmen meine Wahlzettel und setzten ihre Fingerabdrücke neben den Namen ihres Kandidaten. Dann versuchten sie, mit der Wahlurne wegzulaufen“, berichtet er. Schwerbewaffnete Polizisten hätten untätig zugeschaut.

Im örtlichen Krankenhaus werden nun zwei Männer mit Stichwunden behandelt. „Wir versuchten, Ogunyeni Tagudeen zu helfen, seine Wahlzettel zu schützen, aber gegen drei Männer mit Messern hatten wir keine Chance“, erklärt Moses Olawuli, während eine Wunde auf seinem Rucken zugenäht wird.

Später kommt es in Oye zu Schießereien, als AC-Anhänger in einem Haus eine Gruppe PDP-Mitglieder zusammen mit sieben leeren Wahlurnen finden. Auch hier greifen die anwesenden Polizisten nicht ein. „Natürlich nicht“, weiß ein junger Mann. „Die haben den ganzen Tag dafür gesorgt, dass wir nicht wählen konnten. Sie drohten uns mit ihren Waffen.“

Fayemi kann nicht verhindern, dass seine Anhänger einige PDP-Mitglieder erschlagen. Die nächtliche Zählung deutet dann auf einen Sieg für die AC hin. Aber nach dem Besuch eines Präsidentenberaters wird am Sonntag die PDP zum Sieger der Gouverneurswahl ausgerufen.

Kayode Fayemi bleibt ruhig. „Ich hatte das alles vorausgesagt. Aber ich habe noch Hoffnung, dass ehrliche Politik mehr Macht und Einfluss bekommt.“