OFF-KINO: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Harold Lloyd hatte seine Filmkarriere einst beim Studio von Hal Roach, das unter anderem auch die Laurel-und-Hardy-Komödien produzierte, als eine Art Chaplin-Imitator begonnen. Schnell erkannte er jedoch die Notwendigkeit, sich eine eigene Kunstfigur zu schaffen und fand bereits zum Ende der 1910er-Jahre zu seiner typischen Rolle als schüchterner, junger Mann mit kreisrunder Brille und Strohhut. Überwiegend erzählen Lloyds Komödien vom amerikanischen Traum, es sind von unerschütterlichem Optimismus und Enthusiasmus geprägte Geschichten von einem – bescheidenen – Aufstieg, die zugleich mit viel Witz das Verhältnis von Schein und Sein thematisieren. Denn stets gibt sich Harold als etwas aus, was er gar nicht ist – um am Ende in diese angenommene Rolle hineinzuwachsen. In „The Kid Brother“ (1927, R.: Ted Wilde) verkörpert Lloyd in einer Familie von besonders „harten“ Männern den kleinen Bruder, der als „Aschenputtel“ für das Waschen und Geschirrspülen zuständig ist. Sein träumerisches Hantieren mit Revolver und Sheriffstern seines Vaters führt jedoch zu einer Verwechslung und zu ungeahnten Verwicklungen. Durch das unerschütterliche Vertrauen eines Mädchens in seine Fähigkeiten wächst er schließlich über sich hinaus, fängt einen Dieb und rettet seinen Vater vor einem Justizirrtum. (17. 5., Babylon Mitte)
Mit seinem die Welt und die Kunst befragenden essayistischen Metakino wurde Jean-Luc Godard zum wohl einflussreichsten Filmregisseur der letzten 50 Jahre. Wenn sich Godard in „Pierrot le fou“ (1965) des romantischen Abenteuerfilms annimmt, verwendet er zwar Farbe, Scope und Jean-Paul Belmondo, doch das Ergebnis ist nicht konventionelle Action, sondern (E)motion in Rot und Blau. Nebenbei lässt Godard den amerikanischen Regisseur Samuel Fuller auf einer Party dessen Kino erklären („Film is like a battleground: love, hate, action, violence and death. In one word: emotion“) und findet für seine Geschichte über die Flucht von Ferdinand (Belmondo) und Marianne (Anna Karina) aus den Alltagszwängen eine Form, die Sportwagen, Esso-Tankstellen, Verrat, Dynamit und viele Leichen mit dem Nachdenken über Literatur, Kunstgeschichte und Politik verbindet. (Om engl. U, 16. 5., Arsenal 1)
Der Umgang mit den „Filmdokumenten“ aus der Nazizeit ist problematisch, schließlich handelt es sich um Propagandamaterial, das ein diktatorisches Regime verherrlichte. Wie also lassen sich diese Bilder zusammenstellen und neu montieren, wie kann man der Propaganda etwas entgegensetzen? In seiner Dokumentation „Der gewöhnliche Faschismus“ (1965) setzt Regisseur Michail Romm auf radikale Subjektivität: Sarkastisch kommentiert er die pompösen Inszenierungen des Dritten Reichs aus persönlicher Sicht, ironisiert sie durch mehrfache Wiederholungen desselben Filmausschnitts und versucht der Frage auf den Grund zu gehen, warum Menschen einer totalitären Ideologie verfallen. Dass sein Film aus der Sowjetunion stammt, ist die Ironie der Geschichte. (18. 5., Kino Krokodil) LARS PENNING
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