Vom Kampf gegen Staub und Schmutz

Vom Badegemach zur Wohlfahrtseinrichtung: Die Ausstellung „Architektur der Reinheit“ in Itzehoe erzählt die Geschichte des Bades. Nach dem Ende der mittelalterlichen Badeanstalt blieb das Baden lange Vorrecht der Betuchten

Paris, im Jahr 1761. Am Ufer der Seine ist ein großes, zweigeschossiges Schiff vertäut. Zahlende Passagiere kommen und gehen – doch das Schiff legt nie ab. Die Gäste streben in kleine Bade-Kabinen voller Seine-Wasser, die in den Schiffsboden eingelassen sind. Für die Pariser ist das eine Neuheit – für diejenigen, die es sich leisten können.

Im Wenzel-Hablik-Museum in Itzehoe können die Besucher noch bis Mitte Mai trockenen Fußes an zahlreichen Modellen betrachten, wie frühere Generationen Staub und Schmutz abwuschen: Die Sonderausstellung „Architektur der Reinheit“ zeichnet die Geschichte der Badearchitektur nach: Beginnend bei den fürstlichen Badegemächern über das Seebaden bis hin zu den Arbeiterbädern aus der Zeit der Industrialisierung.

Zu sehen sind Modelle von Schwimmbädern, Badehäusern und Waschschiffen. Dabei liegt das Augenmerk eindeutig auf architektonischen Fragen: Das entspricht in gewisser Weise dem Namensgeber des Hauses, dem Expressionisten Wenzel Hablik, der als Architekt, Maler und Designer in Itzehoe lebte. Für die sozialgeschichtliche Einordnung sollen die Begleittexte sorgen: Denen nämlich ist zu entnehmen, dass das aus England importierte Kurbad der sozialen Distinktion diente und die von der Obrigkeit gebauten Arbeiterbäder Teil der damaligen Wohlfahrtseinrichtungen waren.

So ist das Badeschiff auf der Seine Teil der aufklärerischen Bewegung, die die Europäer wieder zum Baden bringen möchte. Seit sich am Ende des Mittelalters die Syphilis in Europa ausbreitete, hat es keine öffentlichen Badeanstalten mehr gegeben. Nun setzte die Gegenbewegung ein, deren Vorreiter das Badeschiff war. Die Kunden mussten allerdings in Kauf nehmen, dass im Flusswasser von Zeit zu Zeit herumschwimmt, was die Großstadt Paris entsorgen muss: Fäkalien und Müll.

Wer hingegen als deutscher Fischer am Meer wohnte, ging noch bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht schwimmen. Der Vorschlag, sich zum Spaß in die gefährliche Ostsee zu stürzen, hätte einen Travemünder damals erschüttert. 1739 war das erste deutsche Seebad in Bad Doberan, in der Nähe von Heiligendamm, entstanden – dort badeten aber nur die sauberen Zehntausend, die das neumodische Vergnügen aus England übernommen hatten. Sie ließen sich in speziellen Pferdekutschen, den Badekarren, ins Meer fahren und stiegen dann über eine kleine Holztreppe in das Wasser hinab. In Itzehoe ist davon ein Holzmodell zu sehen.

Über 100 Jahre hatten die Wohlbetuchten das Meer für sich. Denn der Schwimmunterricht in öffentlichen Schulen fasste erst Ende des 19. Jahrhunderts Fuß. Damals bekamen die Kinder zum schwimmen lernen einen Gurt um die Brust gelegt. Der Schwimmlehrer hängte den Gurt in eine so genannte Schwimmangel ein und konnte seinen Schüler bequem vom Ufer aus über Wasser halten.

KARIN CHRISTMANN

„Architektur der Reinheit“: bis 13. Mai, Wenzel-Hablik-Museum, Itzehoe. Buch zum Thema: Susanne Grötz/Ursula Quecke, „Balnea. Architekturgeschichte des Bades“, Jonas Verlag, 208 S., 29 Euro.