: Klimaschädliche Bedürfnisbefriedigung
Der Verkehr auf dem Hamburger Flughafen ist so stark gewachsen wie seit 36 Jahren nicht mehr – ausgerechnet jetzt, wo der Bürgermeister den Kampf gegen die Erderwärmung zur Priorität erklärt hat. Beim Umweltschutz müht der Airport sich redlich
Wie der Hamburger fuhr auch der hannoversche Flughafen im vergangenen Jahr einen zweistelligen Millionengewinn ein. Der Zuspruch der Passagiere wuchs allerdings mit 1,1 Prozent deutlich weniger stark als in Hamburg. Mit 5,7 Millionen Passagieren belegte der Airport in Hannover Rang neun unter den 16 deutschen Verkehrsflughäfen. Der Flughafen Hamburg verdankt seinen Erfolg zu einem großen Teil Schleswig-Holstein. Ein Drittel der Passagiere kam aus dem Nachbarland. Von der Zahl her waren das beinahe so viele wie aus der Großstadt selbst – und das obwohl auch der Verkehr auf dem Lübecker Flughafen stark zugenommen hat. Vor allem die Billig-Flieger ließen die Passagierzahl zwischen 2000 und 2005 von 185.000 auf 716.000 schnellen. In Bremen nahm die Zahl der Fluggäste 2006 um 2,4 Prozent ab. Der Airport erwirtschaftete eine Million Euro Verlust. Jetzt soll die Billigfluglinie Ryan-Air für Wachstum sorgen. KNÖ
VON GERNOT KNÖDLER
Die Angst vor dem Klimakollaps scheint dem Flugverkehr keinen Abbruch zu tun. Dafür sprechen die gestern veröffentlichten Jahreszahlen des Hamburger Flughafens: 2006 schleuste Deutschlands viertgrößter Airport im Vergleich zu 2005 sensationelle zwölf Prozent mehr Passagiere durch seine Terminals. Um ein Haar hätte er die Zwölf-Millionen-Passagiere-Latte gerissen. Bürgermeister Ole von Beust (CDU), der die Stadt als Mehrheitsgesellschafter vertritt und sich den Klimaschutz auf die Fahne geschrieben hat, weigerte sich gestern, kräftig gegenzusteuern. Den Bürgern werde beim Klimaschutz genug abverlangt. „Wenn man nun auch noch sagt: ‚Wir fliegen nicht mehr in den Urlaub‘, schüttet man das Kind mit dem Bade aus“, kommentierte er. Und das Flughafen-Management verwies auf seine Umwelt-Aktivitäten.
Dass der Flugverkehr besonders stark zum Treibhauseffekt beiträgt, ist unumstritten. Nach Angaben von Greenpeace verursachen Flugreisen rund zehn Prozent der Klimaschäden. Bei Flugreisen werden besonders große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre geblasen. Dazu kommt der fatale Effekt der Kondensstreifen, die die Flugzeuge am Himmel hinterlassen. Wie das Kohlendioxid verhindern sie, dass die von der Erde reflektierten Sonnenstrahlen die Atmosphäre verlassen. Der Erwärmungseffekt durch diese künstlichen Wolken sei mindestens ebenso bedeutend wie die Wirkung der CO2-Emissionen des Flugverkehrs, meint die Umweltorganisation German Watch.
1995 hatten sich die damals SPD-regierten norddeutschen Küstenländer deshalb für schadstoffärmere Flugzeuge und eine Begrenzung des Flugverkehrs ausgesprochen. In ihren gemeinsamen „Leitlinien für eine norddeutsche Luftverkehrspolitik“ formulierten sie das Ziel, 30 Prozent der Kurzstreckenflüge bis 2010 durch Fahrten mit anderen Verkehrsmitteln zu ersetzen. Der heutige CDU-Senat weiß davon nichts mehr. Das sei vor dem Boom der Billigflieger gewesen, sagt Arne von Maydell, der Sprecher der Wirtschaftsbehörde. Gewachsen sind die Passagierzahlen ganz unabhängig davon, welche Parteien gerade am Ruder waren: zwischen 1995 und 2000 von 8,2 auf 9,9 Millionen, 2005 auf 10,7 Millionen und jetzt auf knapp zwölf Millionen.
1998 wurde ein knapp 370 Millionen Euro schweres Ausbauprogramm gestartet. Für das Geld gab es unter anderem einen neuen Terminal, Parkhäuser und ein größeres Vorfeld für die Pisten. Dazu kam ein Autobahn-Zubringer. Ein S-Bahn-Anschluss und ein Einkaufszentrum werden gerade gebaut. 15 Millionen Passagiere lassen sich mit den heutigen Anlagen abfertigen. Die Pisten geben noch mehr her.
Für die Frage, ob ein solches Wachstum angesichts der drohenden Klimakatastrophe zu verantworten sei, fühlt sich Flughafen-Sprecherin Stefanie Harder nicht so recht zuständig. „Das ist ja unser Geschäft“, sagt sie. „Der Wunsch nach Mobilität ist da in der Gesellschaft, den kann man den Menschen nicht nehmen.“ Allenfalls könne der Flughafen dazu beitragen, den Luftverkehr weniger belastend zu machen. Es werde ja bereits der Emissionshandel für den Flugverkehr diskutiert. Auch emissionsabhängige Start- und Landegebühren nach dem Muster der in Hamburg gängigen lärmabhängigen Gebühren seien denkbar. „Das wäre ein Anreiz und keine Bestrafung“, sagt Harder. Es müssten aber für alle Flughäfen die gleichen Wettbewerbsbedingungen gelten.
Der Flughafen betreibe, zum Teil auf Initiative des Senats hin, schon heute diverse Umweltschutzprojekte, sagt die Sprecherin. Seine Schlepper führen mit emissionsarmem Erdgas und teils sogar mit Wasserstoff. Die Flugzeuge würden gezwungen, am Boden ihre Kerosin fressenden Generatoren abzustellen, und sich vom Airport mit Strom und Luft versorgen zu lassen.
Nein, nicht die hier Abgebildeten haben wir zu ihrer persönlichen Klima-Einstellung befragt. Sondern Menschen, auf die wir gestern am Hamburg Airport stießen:
„Für meine Reise nach Rom kommt nur das Flugzeug in Frage. Da sollen erst mal die Amerikaner anfangen, bevor ich nicht mehr fliege.“ SANDRA B. fliegt nach Rom in den Urlaub.
„Für die Rettung des Klimas dürfen wir das ökonomische Wachstum nicht opfern. Der Marktmechanismus wird das Problem regeln, wenn es dafür an der Zeit ist.“ THOMAS BARK, 27, holt einen Freund ab, der aus Dubai landet.
„Gegenüber der Bahn spare ich zweieinhalb Stunden pro Strecke. Mit dem Auto ist man manchmal genauso schnell wie mit dem Flugzeug, aber das Fliegen ist viel bequemer.“ STEFAN WITTSTRUCK, 38, fliegt beruflich nach Frankfurt.
„Mein Auto fährt auch ohne Wald. Außerdem können wir Deutschen uns beim Klimaschutz ein bisschen zurücklehnen. Die anderen Europäer lachen sich kaputt, dass wir den Müll trennen.“ Wandergeselle CLEMENS, 27, kommt gerade aus dem Mallorca-Urlaub.
„Es hat schon immer mal Eiszeiten und Hitzeperioden gegeben. Mit dem Gerede um die angebliche Klimakatastrophe werden die Leute veräppelt noch und nöcher.“ BARBARA HAGEL, 58, fliegt nach einem Verwandtenbesuch zurück nach Stuttgart.
FOTO: DPA
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