Antifa fühlt sich beobachtet

Der Antifa Matthias Z. wird nach Angaben seines Anwalts seit seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft dauerhaft von der Polizei beschattet. Polizei bestreitet den Vorwurf: „Wir ermitteln in dem Fall nicht mehr“

Der erst vor wenigen Wochen aus der Untersuchungshaft entlassene Antifaschist und Gewerkschafter Matthias Z. wird laut seinem Anwalt weiterhin Tag und Nacht von der Polizei überwacht. Nach massiver Kritik von Politikern und Gewerkschaftern hatte das Landgericht den schwerwiegenden Vorwurf des versuchten Totschlags gegen Z. vor drei Wochen abgewiesen und den Haftbefehl ausgesetzt.

„Nach unseren Informationen wird mein Mandant seit seiner Entlassung zu jeder Zeit observiert“, sagte Daniel Wölky, der Rechtsanwalt des Beschuldigten. Es sei unfassbar, dass die Behörden anscheinend weiter gegen den Beschuldigten ermitteln, obwohl mit der Anklageerhebung die Ermittlungen offiziell abgeschlossen sind. „Offensichtlich hält die Polizei absurderweise weiterhin an dem haltlosen Vorwurf des versuchten Totschlags fest“, so Wölky weiter.

Die Polizei widerspricht dieser Darstellung. „Wir ermitteln in dem Fall nicht mehr“, so Polizeisprecher Klaus Schubert zur taz. Es habe bisher keinen Auftrag der Staatsanwaltschaft gegeben, die Ermittlungen wieder aufzunehmen.

„Wenn es stimmt, dass die Polizei weiter gegen Matthias Z. ermittelt, zeigt dies doch nur, dass sie bisher keine greifbaren Beweise in der Hand hat“, kommentiert die Vorwürfe der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux.

Der 21-Jährige „Matti“ wurde im Dezember 2006 verhaftet und saß mehr als 100 Tage in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, zwei Wochen zuvor an einem Angriff auf zwei Neonazis in Lichtenberg beteiligt gewesen zu sein. Damals hatten die beiden leicht verletzten Rechtsextremisten der Polizei ein Porträtfoto von Matti vorgelegt, welches vermutlich aus einer sogenannten „Anti-Antifa-Kartei“ stammt. Sie gaben an, ihn trotz Vermummung unter den Angreifern erkannt haben zu wollen.

Handfeste Beweise konnte das Landeskriminalamt trotz intensiver Ermittlungen bisher nicht vorweisen. Besonders brisant ist dabei, dass Matthias Z. in einem anderen Verfahren als Zeuge gegen einen der Neonazis auftritt. Dieser soll im Mai vergangenen Jahres einen Wahlkampfstand der Linkspartei angegriffen haben.

Politiker von Linkspartei und Grünen sowie die Jusos und die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hatten zuletzt scharfe Kritik an dem Vorgehen der Polizei und Justiz geübt. Sie warfen den Behörden vor, als einzige Beweise den Zeugenaussagen von zwei stadtbekannten Neonazis mehr Glauben zu schenken als abweichenden Aussagen von vermeintlichen Linken.

Erst am vergangenen Freitag wurde der Fall offiziell vom Landgericht an das zuständige Schöffengericht verwiesen. Dort erwartet „Matti“ eine Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung. Wann der Prozess beginnt, steht noch nicht fest.

JOHANNES RADKE