Die taz ist schuld

JUSTIZ Seltsame Vorwürfe der Verteidigung im Prozess gegen ruandische FDLR-Milizenführer

AUS STUTTGART DOMINIC JOHNSON

Im Stuttgarter Kriegsverbrecherprozess gegen Führer der ruandischen Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) macht die Verteidigung die taz mitverantwortlich für das Zustandekommen des Verfahrens. Man sei verwundert, dass eine „Pressure Group“ aus „einem Journalisten der taz, dem Ökumenischen Netz Zentralafrika und dem Pole Institute mit Sitz in Goma die Bundeskanzlerin, die ehemalige Justizministerin und den Generalbundesanwalt vor sich hertreiben konnte“, erklärte Rechtsanwältin Andrea Groß-Bölting, Verteidigerin des FDLR-Vizepräsidenten Straton Musoni, am Mittwochnachmittag vor Gericht. Die deutsche Justiz werde als „Marionette“ des ruandischen Präsidenten Paul Kagame missbraucht.

Musoni sowie FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka sind wegen Kriegsverbrechen von FDLR-Kämpfern in der Demokratischen Republik Kongo angeklagt. Groß-Böltings Äußerungen waren Teil eines sogenannten Opening Statements, dessen Verlesung allerdings vom Vorsitzenden Richter Jürgen Hettich nicht zugelassen wurde. Die Angeklagten könnten sich persönlich oder über ihre Anwälte zur Sache äußern, ein „Opening Statement“ sei im deutschen Prozessrecht aber nicht vorgesehen, so der Richter. Die Verteidigung lehnte daraufhin den gesamten 5. Strafsenat wegen Befangenheit ab und verlas ihre Statements als Teil der Begründung der Befangenheitsanträge.

Murwanashyakas Verteidigerin Ricarda Lang wies die Anklage ebenfalls zurück. Die von der FDLR ausgeübte Gewalt, „sofern sie überhaupt stattfand“, sei immer nur „reaktiv“ gewesen: „Werden Soldaten wie die der FDLR angegriffen, haben sie das Recht, sich zu verteidigen“, so Lang; Zivilisten als Schutzschilde einzusetzen sei ein „Kollateralschaden“, und „Vergeltungsmaßnahmen sind in kriegerischen Auseinandersetzungen nicht per se illegitim“. Die FDLR habe ihre Kämpfer aber angewiesen, sich gegenüber der Bevölkerung „immer freundlich, höflich, zurückhaltend“ zu verhalten. Damit bestätigte die Verteidigerin indirekt zwei zentrale Punkte der Anklage: dass die FDLR gewaltsame Übergriffe begeht und dass die FDLR-Führung ihren Kämpfern Weisungen erteilt.