Mehr ARD-Krippenplätze!

Irrungen und Wirrungen bei der ARD-Themenwoche: In „Die andere Hälfte des Glücks“ (ARD, 20.15 Uhr) streiten sich zwei Frauen um ein geklautes Kind, lösen den Zank aber mütterlich-gelassen

VON BETTINA SCHULER

Bibel und Brecht wussten Bescheid: Beim Thema Babyklau geht’s dramatisch zu. Scharfrichter zücken Schwerter, Dorfschreiber ziehen Kreidekreise um zu schauen, welche der beiden Mütter die Wahre ist. Auch Lena (Katharina Böhme) kämpft um ihren Sohn Jakob (Jonathan Elias Beck), den sie seit zwölf Jahren verzweifelt sucht. Und tatsächlich: Lena gelingt es, ihren Sohn wieder aufzuspüren. Doch abgesehen von der gleichen DNA ist von familiärer Nähe nicht viel übrig geblieben. Und die alleinerziehende Ziehmutter Carola (Anneke Kim Sarnau) hat es trotz McJob geschafft, einen wohlerzogenen Jungen aus dem Kleinen zu machen.

Babyklau ist nicht nur der Albtraum jeder jungen Mutter, sondern auch ein Thema, das allemal als dramatischer Stoff taugt. Doch trotz der überaus melodramatischen Konstellation gelingt es der Regisseurin Christiane Balthasar, den Film wie eine Mischung aus „Akzenzeichen XY ungelöst“ und der filmischen Version eines Brigitte-Dossiers wirken zu lassen.

In knarzigen Dialogen diskutieren Lena und ihr Mann (Hans-Werner Meyer) über das weitere Vorgehen, anstatt loszupreschen und sich ihr Kind zu schnappen. Stattdessen setzen sie sich mit der Diebin gemütlich an einen Tisch, um in Ruhe zu überlegen, wie man den vermissten Sohn schonend eröffnet, dass seine Mutter eine psychisch gestörte Entführerin ist.

Im Gegensatz zu Brechts „Kaukasischer Kreidekreis“ und dem salomonischen Muttertest ist es in „Die andere Hälfte des Glücks“ die Ziehmutter, die sich zum Wohle ihres Kindes in Verzicht übt. Doch da die Kinderdiebin ansonsten in den Knast wandern würde, bleibt die eigentliche Frage des Filmes, ob die biologische Mutter automatisch auch die bessere ist, unbeantwortet.

Zudem fragt man sich, was diese melodramatische Geschichte in der ARD-Themenwoche „Kinder sind Zukunft“ verloren hat. Denn das Thema Babyklau hat bei der aktuellen Familiepolitik-Diskussion nicht gerade die höchste Priorität. Doch wahrscheinlich wäre ein Film über die verzweifelte Suche nach Krippenplätzen zu langweilig gewesen. Allerdings: Hätte Jakob von früh an eine ordentliche Kinderkrippe besucht, wäre das alles nicht passiert.