Ein Feingeist schlägt zu

ALTES HANDWERK Frank Alexy war Bäcker und Taxifahrer, bevor er an der Ostsee als Schmied sich niederließ. Eisen ist für ihn „eine Flüssigkeit“, die keine gestalterische Grenzen kennt

„Ich finde, es ist oft wichtiger, dass es schön ist, als dass es sicher ist“

Frank Alexy, Schmied

VON KRISTIANA LUDWIG

In der Schmiede ist es düster. Der blonde Lehrling in Zunfthose entfacht das Feuer. Schnell sprudelt dicker, grauer Qualm an der trapezförmigen Abzugshaube vorbei in den länglichen Raum. Der Rauch legt einen diesigen Schleier über Hämmer und Zangen. Frank Alexy ist in Hausschuhen gekommen. Mit Jeans und Pulli steht er neben den Einzelteilen eines Zauns aus geschwungenem Eisen, die an der Wand lehnen. Er greift nach dem vordersten Gitter, hebt es an, stellt es ab. „Diese Kundin wollte Baumarktbarock“, sagt er. „Das konnte ich nicht.“

Jetzt sitzen Eisenblumen auf den Zaunteilen, ihre runden Blütenblätter sind aus gewölbten Plättchen geformt. „Du musst denen das aufzwingen“, hat ihn sein Meister gelehrt. Schmied Alexy ist trotzdem nicht ganz zufrieden. Die Stäbe des Zauns sind in sich verdreht, der Kundin zuliebe. Er hätte dünnere Stangen genommen. Und gerade.

Seit sieben Jahren ist Alexy selbstständiger Schmied. Er ist 42 Jahre alt, erst mit 30 hat er seine Ausbildung begonnen. Vorher war er Bäcker, Taxifahrer, Gestalter. Dann zog er auf einen Bauernhof in Dänischenhagen, einem Dorf nördlich von Kiel, und baute zwei Garagen zu einer Schmiede um. Nun laufen Hühner durch seinen weitläufigen Garten, hinter einer kniehohen Backsteinmauer erstreckt sich ein Acker, dahinter Wald. An einem Balken, der zwischen zwei Baumkronen liegt, hängt eine Schaukel. „Ich würde gerne noch ursprünglicher wohnen“, sagt Alexy: „Mir noch mehr meine Kundschaft aussuchen.“

Auf der Wiese neben seiner Kunst- und Bauschmiede, inmitten von hohen Sträuchern, steht ein „serienreifes“ Produkt, wie Alexy sagt. Hoch über seinem Kopf schwingen sich Stäbe zu einer Kuppel – der handgeschmiedete Gartenpavillon kostet zwischen 4.500 und 6.500 Euro.

Eher wohlhabende Leute kaufen seine Werke, sagt Alexy. Doch einen Pavillon hat er gerade jemanden verkauft, „der seinen Garten über alles liebt“, sagt er. Der Rosen pflanzt. Ein freundlicher Mann. Kunden wie er sparen auf seine Kreationen, glaubt der Schmied.

Viele andere beliefert er mit Auftragsarbeiten. In Hamburg hat er einem „Superreichen“ einen Speiseaufzug gebaut, nach einem Vorbild von 1900. „Ich finde, es ist oft wichtiger, dass es schön ist, als dass es sicher ist“, sagt Alexy sanft.

In großen Schritten kommt der Lehrling über die Wiese. Er ist größer als sein Meister, über seine breiten Unterarme ziehen sich sichtbar seine Sehnen. Ihn interessiert das Mittelalter. Er will Schmied werden. Schon ewig. Alexy stupst die Möwe an. Geräuschlos setzt sich die große Metallplatte in Vogelform in eine kreisende Bewegung. Nur am Schnabel ist sie auf einen senkrechten Stab gesteckt. Den Kopf durfte der Lehrling modellieren. „Vorher sah es aus wie ein Greifvogel“, sagt der.

„Künstler bin ich nicht“, sagt Alexy. Eher gestaltender Handwerker. Dafür kenne Eisen allerdings keine Grenzen: „Es bleibt lebendig“, sagt er und schwingt seine dünne Zigarette in der Luft: „Eine Flüssigkeit.“

In seinem Bauernhaus nimmt der Schmied ein Buch in die Hand. Die dicken, weißen Seiten aus gemasertem Karton berührt er nur an den Kanten, als er zu blättern beginnt. Seine Hände sind schwarz gefleckt vom Ruß, auf der rechten klebt ein großes Pflaster. Ganz kleine Fotos hat er auf den Buchseiten platziert.

Bilder eines Zimmers sind zu sehen, in dem lange weiße Vorhänge neben den Fenster fallen. Entlang einer Treppe, die mit wollenem Teppichboden belegt ist, schweben goldene Kreise. In ausladenden Spiralen aus feinen Stäben hat Alexy ein Geländer installiert. Rahmenlos. Extravagant. „Das ist wieder so was.“ Seine Lippen kräuseln sich. „Ich hätte das nie so gemacht.“

Dann stützt er eine Hand in die Hüfte und deutet in einen hellen Raum mit glattem Holzparkett. Ein rotes Fahrrad steht neben einem Holztisch. An der Wand hängen ovale, gewölbte Platten, überzogen von Blattgold, vor jeder hängt ein kleiner Halter aus Metall – für Teelichter oder für Kerzen. „Blaker“, nennt Alexy seine Reflektoren: „Die machen so ein schönes goldenes Licht.“ Auf einem Antikmarkt verkauft er sie. An freundliche Leute. Denn Alexy will „weg von der Auftragsarbeit.“

Geld verdienen könnte er mit Restaurationen. In Hamburg gebe es einen unglaublich großen Markt. „Viel altes Eisen“, sagt der Schmied. Lieber möchte er sich aber seinen Leuchtern widmen – und auf einen neuen Bauernhof ziehen, in Mecklenburg-Vorpommern. Dorthin, wo die Menschen ursprünglicher sind, sagt er: „Meine Zukunft liegt im Kleineisen.“

Kunst und Bauschmiede, Hof Katharinenberg, 24229 Dänischenhagen (bei Kiel), ☎ (04349) 17 71, E-Mail: kontakt@kunst-bauschmiede.de