SPD lässt nur Deutsche wählen

Erstmals dürfen am 13. Mai schon 16-jährige Bremer wählen. EU-Bürger haben dieses Recht schon seit Jahren. Die Bremer SPD aber hat beides noch nicht mitbekommen: Wählen dürfen für sie nur volljährige Deutsche. Schüler protestieren

Um die Stimmen der 16- und 17-Jährigen bei den Beiratswahlen in Bremen am 13. Mai kümmern sich vorwiegend die Jugendorganisationen der Parteien. Die Jusos wollen eine SchülerInnen-Zeitung vor den Schulen verteilen, die auch über das Wahlrecht informiert. Zugleich will sie anbieten, von der rechtsextremen DVU verteilte CDs fachgerecht zu entsorgen. Die Junge Union machte mit einer Party („Kurze für 50 Cent“) im „Café Röwekamp“ Schlagzeilen. Die Grüne Jugend plant ebenfalls eine Erstwähler-Party (3. Mai), allerdings im Bremer „Tower“ und „rauchfrei“. Wählerschichten jenseits des ureigenen Partei-Milieus soll ein Fußballspiel mit der Werder-Jugendmannschaft erschließen. Die Jungen Liberalen wollen nächste Woche ein eigenes Wahlprogramm mit Themen aus jugendpolitischer Perspektive vorstellen. Die Linkspartei plant derzeit keine speziellen Aktionen. SIM/PAT

aus Bremen ARMIN SIMON

Die Aufgabe war einfach, das Ergebnis ernüchternd. „Ich bin wahlberechtigt weil …“, lautete der Satz, den die 11. Klasse des Schulzentrums Walliser Straße in Bremen in ihrer Politikstunde am Dienstag vervollständigen sollte. Ein Großteil der Klasse aber musste passen. Sämtliche SchülerInnen aus dem EU-Ausland und alle unter 18 waren überzeugt, dass sie am 13. Mai, wenn in Bremen Bürgerschaft und Stadtteil-Beiräte zur Wahl stehen, keinerlei Kreuzchen machen dürfen.

Mit dieser Ansicht stehen sie nicht allein: SPD-Spitzenkandidat und Bürgermeister Jens Böhrnsen etwa hat seiner Wahl-Homepage www.jens-boehrnsen.de, gleichsam als Hilfestellung, eine Service-Rubrik zum „Wahlverfahren“ beigefügt. „Voraussetzung“ für „wählen und gewählt werden“, erklärt der Verwaltungsrichter dort, sei dreierlei. Erstens: „Sie besitzen am Wahltag die deutsche Staatsangehörigkeit.“ Zweitens: „Sie sind 18 Jahre alt.“ Drittens: „Sie wohnen seit mindestens drei Monaten im Lande Bremen.“ Zwei der drei Behauptungen sind falsch.

Das fiel, nach Abgleich mit dem offiziellen Wahl-ABC des Statistischen Landesamtes, auch den SchülerInnen aus der Walliser Straße auf. „Wenn sich unsere Klasse auf die SPD-Informationen Ihrer Web-Seite verlassen würde, würden 11 Mitglieder unserer Klasse nicht wählen können, weil sie noch nicht 18 sind oder keine deutsche Staatsangehörigkeit haben“, schrieben sie wütend an die SPD. Denn anders als von dieser behauptet sind zur Wahl der Stadtbürgerschaft, der Stadtverordnetenversammlung Bremerhaven und den Stadtteil-Beiräten in Bremen schon seit 1996 auch EU-BürgerInnen zugelassen – „zum Glück“, wie die SchülerInnen finden. Und für die bevorstehenden Beirats-Wahlen senkte die Bürgerschaft erst vor wenigen Monaten, gerade noch rechtzeitig, das Wahlalter auf 16 Jahre ab – mit den Stimmen der SPD übrigens.

Diese Gesetzesnovelle hat eine längere Vorgeschichte, und auch darin traten SchülerInnen des Schulzentrums Walliser Straße bereits in Erscheinung. 1999 nämlich, kurz vor der Bürgerschaftswahl, organisierten sie eine Podiumsdiskussion zum Thema „Kommunalwahlrecht mit 16“. SPD und Grüne stimmten dem Vorschlag damals zu, die CDU erklärte ihn für „verhandelbar“. Was die SchülerInnen animierte, die Forderung in den Koalitionsverhandlungen von SPD und CDU zu wiederholen. Schließlich konnten 16-Jährige in Niedersachsen schon damals das aktive Kommunalwahlrecht ausüben. Und ihre Wahlbeteiligung lag sogar über der von klassischen JungwählerInnen über 18. Dass die Bremer CDU sich sieben Jahre später dem Druck schließlich beugte und zumindest für die Beiratswahlen einer Absenkung des Wahlalters zustimmte, verbuchen die SchülerInnen „als einen späten Erfolg der Jugendlichen, die seit Jahren für diese Forderung einstehen“.

Auch das Kommunalwahlrecht für UnionsbürgerInnen sorgte in Bremen einst für größere Diskussionen. Denn die Stadtbürgerschaft – über deren Zusammensetzung nun auch EU-BürgerInnen mitbestimmen sollten – setzte sich bis dahin schlicht aus den bremischen Abgeordneten der Bürgerschaft (Land) zusammen. Eine Lösung schufen schließlich andersfarbige Stimmzettel für nicht-deutsche WählerInnen, die eine getrennte Auswertung ermöglichen. Und weil die Bremer EU-BürgerInnen überproportional die Grünen wählten, muss seit 2003 in den Sitzungen der Stadtbürgerschaft stets ein SPD-Abgeordneter seinen Platz zugunsten der Oppositionspartei räumen.

Verantwortlich für die Falsch-Informationen auf Böhrnsens Wahlkampf-Seite ist SPD-Landesgeschäftsführer Roland Pahl. Die Aussagen zum Wahlverfahren habe man der „offiziellen Homepage der Bürgerschaft“ entnommen, sagt er. Zur Bedeutung der Staatsbürgerschaft für die Wahlberechtigung ist dort allerdings nichts zu finden. Auch einen Hinweis auf das Wahlrecht für 16-Jährige bei den Beiratswahlen sucht man vergeblich.

Besonders pikant ist dies im Hinblick auf die Kandidatur rechtsextremer Parteien. Je niedriger die Wahlbeteiligung ist, desto größer deren Chancen, lautet die Faustregel. Schon aus diesem Grund müsse die SPD alles tun, um auch 16- und 17-Jährige über ihr Wahlrecht zu informieren, argumentiert Adnan Tumeh, 17-jähriger Schüler und Mitautor des Protestbriefes. In seinem Freundeskreis jedenfalls „wusste da niemand was davon“, sagt er.

Der Beschwerdebrief, am Dienstag persönlich im SPD-Büro abgegeben, war Pahl zufolge bis gestern Nachmittag dort „definitiv noch nicht eingetroffen“. Was die Fehler auf der Böhrnsen-Internet-Seite angeht, räumt er ein, diese seien „bisher noch niemandem aufgefallen“. Es handele sich um ein „Missverständnis“ – das man selbstverständlich korrigieren werde. CDU, Grüne, FDP und Linkspartei stehen da nur bedingt besser da: Sie geben auf ihren Internet-Seiten gar keine Hinweise auf Wahlsystem, Wahlvoraussetzungen oder Mindestwahlalter.