DIETER BAUMANN

LAUFENFragen zum Training? kolumne@taz.de Morgen: Martin Unfried ÖKOSEX

Ronaldinhos Geheimnis
Der SC Freiburg hat das Laufen im Fußballtraining populär gemacht. Aber warum läuft Superstar Ronaldinho nicht?

Vor wenigen Wochen machte ich einen spontanen Kurzbesuch beim SC Freiburg. Die Mannschaft hatte am Vormittag ihre erste Trainingseinheit hinter sich gebracht, danach Mittag gegessen und ruhte sich nun für die zweite Einheit am Abend aus. Deshalb war Volker Finke mit seinem Team im Büro. Das heißt, nicht alle. Sein Co-Trainer Achim Sarstedt war noch zwischen den Trainingseinheiten im Wald unterwegs. Er lief.

Finke war gerade dabei, das letzte Spiel per Video auszuwerten, und zeigte mir die technischen Möglichkeiten, die sie sich in Freiburg geschaffen hatten. Sechs Kameras befinden sich dort auf dem Dach der Tribüne, um jeden Schritt, jeden Antritt der Spieler zu verfolgen. Auch kollektives Abwehr- und Angriffsverhalten wird aufgezeichnet. Nichts geht dem Computerprogramm und den Kameras verloren. Über die Computeraufzeichnungen lässt sich jede Fehlerquelle sofort festhalten.

„Die Außenverteidiger in der Abwehrkette laufen in einem Spiel mehr als 12 Kilometer“, meinte Volker Finke mit leuchtenden Augen. „Dabei macht er aber noch dazu über 100 Antritte.“ Aus all diesen Daten kann man sich die Komplexität des Trainings mehr als vorstellen. „Da reicht Dauerlaufen im Wald nicht aus“, sagt Finke lachend, und auch der Co Trainer Sarstedt nickt zustimmend, der gerade im verschwitzten Laufdress eingetroffen ist.

Aus seinem Mund ist dies schon verwunderlich. Waren es doch die Breisgauer, die Laufen im Fußball erst populär gemacht haben. Ich erinnere mich noch an Zeiten aus Trainingslagern, in denen die Freiburger Kicker, im selben Hotel untergebracht wie ich, jeden Morgen um sieben Uhr zum 6-Kilometer-Dauerlauf aufbrachen. Der Co-Trainer Sarstedt galt damals als der „Leichtathletiktrainer“ unter den Fußballern und ist es vielleicht auch immer noch. Schon damals machte er sich Gedanken über die ernorme muskuläre Ermüdung bei bestimmten Trainingsspielen mit Ball, bei denen die Spieler nichts anderes tun, als zu sprinten, 10 bis 30 Meter. „Das kannst du nicht oft machen, da sind die Jungs danach richtig platt“, meinte Sarstedt, und diesmal nickte Finke.

„Weißt du eigentlich wer am wenigsten läuft?“, fragte mich Volker Finke und zeigte wieder auf den Bildschirm. „Die zwei im Mittelfeld.“ Dabei umkreiste sein Finger die zwei kleinen Punkte, die mit einem Strich miteinander verbunden sind. Sie sind in einem Gewirr von Linien eingezwängt zwischen einer Vierer-Punktereihe hinten (der Abwehr) und einer Vierer-Punktereihe vorne (dem Sturm). „Sehr weit kommen die ja auch nicht“, räumte ich ein, „so umzingelt die von ihren eigenen Mitspielern sind.“

Nach dieser Datenlage müsste jeder Mannschaftsteil und jeder Spieler individuell trainiert werden. Dies wäre auch die Erklärung für die erst kürzlich verbreitete Meldung, dass Superstar Ronaldinho bei der Hälfte aller Trainingseinheiten seiner Mannschaft in Barcelona fehlen darf. Schließlich gehören Ruhetage auch zum Training. Als Läufer begann ich sogleich eine einfache Hochrechnung. Vorausgesetzt, die Vorbereitung in Spanien beginnt im September, bleiben für die Mannschaft rund 210 Trainingstage. Davon muss man natürlich sechs Spiele pro Monat abziehen, dann verbleiben immer noch 168 Trainingstage. Barcelona hat ganze 179-mal geübt. Das ergibt gerade einmal eine Übungseinheit pro Tag. Ronaldinho trainierte nur alle zwei Tage, also: drei- bis viermal pro Woche! Wahnsinn.

Dazu so viel: Im Oktober 2006 kam ein junger Läufer zum ersten Training und meinte, dass er in diesem Winter nur noch einmal am Tag trainieren könne. Es gab eine harte Diskussion, und nur zähneknirschend akzeptierte ich das Ansinnen. Und das auch nur deshalb, weil der junge Kerl sein Jurastudium ins Feld führte, und ich kam zur Erkenntnis, dass wir neben guten Läufern auch gute Juristen in diesem Lande brauchen. Von einem Jurastudium war in der Kurzmeldung über Ronaldinho nichts zu lesen, vielleicht könnte ein Korrespondent in Spanien nochmals nachfragen.