Sammeln auf Vorrat

VON CHRISTIAN RATH

Jetzt präsentiert auch Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) ein neues Sicherheitsgesetz. In Deutschland sollen alle Verbindungsdaten im Telefon-, E-Mail- und Internetverkehr zwangsweise sechs Monate gespeichert werden. Dieses Projekt ist allerdings nicht Teil der jüngsten Sicherheits-Offensive von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), sondern schon länger geplant. Gestern beschloss das Kabinett den von Zypries schon im letzten November vorgelegten Gesetzentwurf.

Zwangsweise gespeichert wird bei Festnetz- und Mobiltelefonaten künftig, wer mit welcher Nummer wie lange telefoniert hat. Bei Mobiltelefonen wird auch der Standort festgehalten. Der Inhalt der Gespräche wird nicht protokolliert. Ebenso wird gespeichert, wer wann an welche Adresse eine E-Mail geschrieben hat. Auch hier wird der Inhalt nicht festgehalten. Anonyme E-Mail-Konten bleiben zulässig. Schließlich muss auch gespeichert werden, wer in welchem Zeitraum einen Internetdienst benutzt. Hinweise auf die besuchten Seiten dürfen zwar nicht protokolliert werden. Es ist allerdings umstritten, ob auf Umwegen nicht doch eine Inhaltskontrolle der Surfer möglich ist.

Die Daten werden von den Telefon- und Internetprovidern gespeichert. Nur in begründeten Einzelfällen sollen Polizei und Verfassungsschutz Zugriff auf die Daten erhalten. Die Polizei kann auf die zwangsgespeicherten Daten zugreifen, wenn es um die Verfolgung von „erheblichen“ Straftaten geht sowie von Taten, die mittels Telekommunikation begangen wurden. Gemeint ist zum Beispiel der Drohanruf eines Stalkers oder das illegale Tauschen von Musikdateien im Internet. Die Erhebung der Daten muss aber „in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache“ stehen, damit nicht gleich alle illegal Musik-tauschenden Schüler ermittelt werden können. In welchen Fällen der Verfassungsschutz Zugriff auf die Verbindungsdaten erhält, muss im Verfassungsschutzgesetz geklärt werden, an dessen Novellierung Innenminister Schäuble derzeit sitzt.

Dass die Polizei auf die Verbindungsdaten zugreifen kann, ist nicht neu. Neu ist aber die Zwangsspeicherung der Verbindungsdaten. Bisher war die Polizei davon abhängig, dass die Telefongesellschaft oder der Internetanbieter die Daten zu Abrechnungszwecken speichert. Meist wurden sie nach drei Monaten gelöscht, künftig wird sechs Monate gespeichert. Für die zunehmende Zahl von Kunden mit Flatrate braucht man sogar gar keine Verbindungsdaten mehr. Hier werden sie künftig nur noch für eine mögliche Strafverfolgung gespeichert. Für diese Dienstleistung erhalten die Provider keine finanzielle Entschädigung.

Die Polizei nutzt Verbindungsdaten vor allem, um kriminelle Netzwerke zu durchleuchten („Wer kennt wen“). Mit den Mobilfunkdaten können auch Bewegungsbilder erstellt werden.

Die Vorratsspeicherung der Verbindungsdaten geht auf eine EU-Richtlinie zurück, die im Frühjahr 2006 beschlossen wurde. Sie muss im Wesentlichen bis September diesen Jahres umgesetzt sein. Für die Speicherung der Internet-Daten gilt eine längere Frist bis März 2009. BKA-Chef Jörg Ziercke hat allerdings bereits gefordert, sofort mit der Zwangsspeicherung der Internet-Daten zu beginnen.

Wenn das Gesetz in Kraft tritt, wird nicht nur der Alt-Liberale Burkhard Hirsch Verfassungsklage einlegen. Bürgerrechtler sammeln bereits Kläger für eine Massen-Verfassungsbeschwerde (www.vorratsdatenspeicherung.de). Der geringe Nutzen rechtfertige nicht den Eingriff in das Fernmeldegeheimnis, sagen sie. Am Europäischen Gerichtshof läuft außerdem eine aussichtsreiche Klage Irlands gegen die EU-Richtlinie, die möglicherweise im falschen Verfahren beschlossen wurde. Die irische Klage hat aber keine aufschiebende Wirkung.