Die Stadt im Visier der IS-Milzen

SYRIEN Mit der Bagdadbahn fing es an: In Kobane leben Kurden, Araber, Turkmenen und christliche Armenier. Noch ist die Stadt in kurdischer Hand

BERLIN taz | Kobane, arabisch Ain al-Arab genannt, liegt in der syrischen Provinz Aleppo im Norden des Landes an der Grenze zur Türkei. Bevor Zehntausende von Flüchtlingen die Stadt erreichten, lebten hier schätzungsweise 54.000 Menschen – Kurden, Araber, Turkmenen und Armenier. Der Ort liegt am Rand einer fruchtbaren Ebene, die von Bergen begrenzt wird, deren höchster Gipfel 691 Meter misst.

Die dicht nebeneinander stehenden weißgrauen Häuser sind meist ein- oder zweistöckig, Blöcke von Mehrfamilienhäusern bilden die Ausnahme. Der Ort hat etwas Karges an sich, nur hier und da ragt eine Zypresse aus dem flachen Häusermeer empor oder eine Baumgruppe schmiegt sich an eine Wand. Am Stadtrand finden sich säuberlich angelegte kleine Felder, auf denen Gemüse angebaut wird.

Ain al-Arab wurde 1912 als kleine Bahnstation an der Linie der Bagdadbahn errichtet. Auf der Flucht vor dem Genozid in der Türkei ließen sich Armenier dort nieder, gefolgt von Kurden aus der Umgebung. Nach der Festlegung der Grenze im Jahr 1921 wurde der Ort geteilt; die Viertel auf der türkischen Seite gehören heute unter dem Namen Mürsitpinar zum Distrikt Suruc.

Bei Beginn der zunächst friedlichen Proteste gegen die Herrschaft des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad im März 2011 hatte es auch in den kurdischen Gebieten immer wieder Demonstrationen gegeben. Der inzwischen auch bewaffnete Konflikt erreichte Ain al-Arab im Juli 2012, als kurdische Kämpfer die Stadt sowie zwei Orte in der Umgebung einnahmen. Die syrischen Sicherheitskräfte leisteten keinen nennenswerten Widerstand und zogen sich zurück. Die drei Orte unterstanden seither kurdischer Kontrolle in Erwartung einer späteren Autonomie für die kurdischen Regionen Syriens.

Nach einigen kleineren bewaffneten Zusammenstößen mit der damals noch Isis genannten Terrormiliz IS Anfang dieses Jahres wurde Ain al-Arab am 2. Juli massiv von den Dschihadisten angegriffen, blieb aber unter kurdischer Kontrolle. Am 16. September begann die jüngste Offensive des Islamischen Staats auf Orte in der Umgebung von Kobane, die eine massive Fluchtbewegung in Richtung Türkei auslöste. B.S.