kansens platzrandvertretung
: Wie ich zum Faktotum wurde

KLAUS JANSEN, 25, ist tazler und Torwart. Obwohl auch er lange Haare hat, ähnelt er David Seaman kaum

„Wir sind doch intellektuell nicht schlechter wie denen“ (Walter Hellmich, MSV Duisburg)

Das Innenband meines rechten Knöchels ist vor fünfeinhalb Monaten gerissen. Klares Foul, Sturz, aua. Der wahre Schmerz kommt jedoch erst jetzt, fast ein halbes Jahr später. Ich merke, wie ich langsam mutiere: Aus dem Fußballer wird ein Platzrand-Faktotum. Ich schäme mich.

Wenn meine Freizeitliga-Mannschaft spielt, hinke ich mit einer Bierflasche in der Hand an der Seitenlinie entlang. Brülle sinnlose Kommentare. Gehe in der Halbzeit zum Schiedsrichter. Manchmal lege ich den Arm um ihn und sage, natürlich ganz im Vertrauen, dass er eine Pfeife ist und sich gut überlegen soll, was er in der zweiten Hälfte tut. Gelegentlich pöbele ich Gegner an. Dabei benutze ich böse Worte, sage aber nichts über Mütter. Die Logik ist aus dem Straßenverkehr abgekupfert: Wer freundlich, aber selbstbewusst Blickkontakt mit dem Gegenüber sucht, kann dem ruhig die Vorfahrt nehmen. Noch hat mir niemand auf die Nase gehauen.

Menschen wie mich gibt es in jedem Verein. Meistens kombinieren sie körperliche Gebrechen mit latent aggressivem Verhalten. Die Platzrandgestalt in meinem Heimatclub bei Aachen hieß Gerd. Er schleppte die Flaschen und den Eiskoffer, meist gab er ehrenamtlich den Linienrichter. Immer winkte er falsch. Ob aus Unwissenheit oder Boshaftigkeit, weiß ich nicht. Als er bei einem Vorbereitungsturnier zum wiederholten Mal daneben gelegen hatte, geriet er mit Bruno aneinander.

Bruno war Schiri, trug eine verspiegelte Brille und sah ein wenig aus wie der Schlagersänger Bata Illic. Im Sommer schickte er seine Kinder zum Campen in den Garten, um mit seiner Frau neue Kinder zu machen. Die fuhr er dann in einem Anhänger hinter seinem Mofa durch die Gegend. Sein Konflikt mit Gerd endete damit, dass Bruno über den ganzen Platz brüllte: „Wenn du nochmal so eine Scheiße machst, erzähl ich jedem hier, was du für einen Kurzen hast!“ Meine damalige Freundin stand hinter der Bande. Nicht nur Brunos illustrierende Handbewegung war ihr peinlich.

Sie kam nie wieder zum Fußball. Heute ist mir klar, wie sie sich gefühlt hat. Es wird Zeit, dass mein Knöchel heilt.