piwik no script img

berliner szenen Auf’m Bau

Klettern mit Ballhaus

Hektisch schnappe ich mir einen der viel zu großen grünen Helme. Dann hetze ich dem Tross hinterher, der schnellen Schrittes auf die Ruine des Republikpalasts zuläuft. Dort hat die Senatsverwaltung zum Setbesuch geladen – Studenten der dffb drehen mit Seminarleiter und Kameralegende Michael Ballhaus einen Kurzfilm. Vor dem Eingang kommt der Tross zum Stehen. Ballhaus, der als Einziger einen weißen Helm tragen darf, sagt etwas. Wegen des Baulärms verstehe ich nichts. Ein Filmtyp brüllt: „Hakan, kannst du mal auf Position gehen?“ Woraufhin wir einem jungen Mann mit Funkgerät ins Gebäude folgen.

Im Palast herrscht eine strikte Dreiklassengesellschaft. Während die Bauarbeiter vor sich hin grinsen, erkennt man die werdenden Filmleute an den coolen Sonnenbrillen und der expressiven Sprache: „Ich bin doch dafür! Es ist doch gar nicht so, dass ich dagegen arbeite!“, höre ich einen von ihnen proklamieren. Dann sind da noch die Journalisten: Einer, der aussieht wie der Fußballer Mike Hanke, fragt Michael Ballhaus auf dem Weg nach oben, ob es nicht tragisch sei, dass der Palast abgerissen werde. Ja, das sei schade, „aber ein Schloss ist ja auch ganz hübsch“.

Auf dem Dach lasse ich mich von der milden Vormittagssonne bescheinen. Unterdessen muss Ballhaus für die Fotografen posieren, muss sich mal mit, mal ohne Regisseurin vor diversen Stahlträgern positionieren oder steile Leitern erklimmen. „Herr Ballhaus, Herr Ballhaus, mehr nach links“, brüllt ein Fotograf. Derart geflissentlich erfüllt dieser dann eine geschlagene Stunde lang sämtliche Fotografenwünsche, dass ich an den Titel des Kurzfilms denken muss, der hier eigentlich gedreht werden soll. Er lautet: „Von der Hingabe“.ANDREAS RESCH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen