Gespaltenes Land

Die Politik der Regierungspartei stößt vor allem in Lagos auf immer breitere Ablehnung

AUS LAGOS HAKEEM JIMO

Hier befindet sich die Hochburg von Atiku Abubakar. Der Vizepräsident Nigerias, der erst am Montag vom obersten Gericht für die Präsidentschaftswahl am Samstag zugelassen wurde, will von hier das höchste Amt Nigerias erobern. Seine Partei „Action Congress“ (AC) hat gerade in der Metropole Lagos die Gouverneurswahlen gewonnen. Aber von Wahlkampfhektik ist in dem eingeschossigen Parteihaus nichts zu spüren. Nur wenige Autos stehen davor, ein schweres Eisentor riegelt das Gelände ab. Auch nach Geld sieht es in der „Akme Road“ nicht aus. Nur tausende Poster erinnern an Wahlkampf: Jeder freie Quadratmeter Wand ist mit dem Konterfei des neuen AC-Gouverneurs von Lagos gespickt.

Ein paar alte Poster von Atiku Abubakar hingen schon früher in der Stadt. Neue kamen nicht hinzu, nachdem über Monate nicht klar war, ob es das Lager der Regierungspartei schaffen würde, den mit Staatschef Obasanjo tief zerstrittenen Vizepräsidenten mit juristischen Tricks von einer Kandidatur fernzuhalten. Erst seit ein paar Tagen tauchen in Lagos nun neue Poster von Atiku auf.

Aber so richtig will keine Wahlkampfstimmung aufkommen. In den vergangenen Tagen hat sich in Nigeria eine breite Front von Wahlkritikern gebildet. Bürgerrechtsorganisationen, Gewerkschaften, muslimische und christliche Verbände sowie Studentengruppen lehnen die Gouverneurswahlen vom vergangenen Samstag einhellig als gefälscht ab und fürchten auch am kommenden Samstag Wahlbetrug. Die nationale Wahlkommission Inec wird beschuldigt, schlicht eine Handlangerin der Regierungspartei PDP zu sein. Der aktuelle Stand der Auszählung ergibt, dass die PDP 26 der 36 Bundesstaaten gewonnen hat. In dreien musste die Wahl unterbrochen werden. Nur sieben gingen an andere Parteien – Lagos an den AC, Abia im Südosten an eine regionale Partei, und mehrere Staaten im Norden an die dort starke ANPP (All Nigerian People’s Party).

Viele PDP-Siege gelten als dreist gefälscht, in manchen Bundesstaaten herrscht Ausnahmezustand. Im Ölgebiet des Nigerflussdeltas kann kaum einer nachvollziehen, wie die PDP wieder so klar gewinnen konnte. Ihre Politik stößt eigentlich auf massive Ablehnung, Rebellen werden ständig stärker.

Dem AC käme jetzt die Aufgabe zu, den Unmut zu kanalisieren. Dass das oberste Gericht ihren Kandidaten Atiku Abubakar in letzter Minute doch zur Wahl zugelassen hat, gab vielen wieder ein wenig Hoffnung, weil sich das Gericht offensichtlich nicht dem Druck der Regierungspartei beugte. „Das ist das Gute an Demokratie, dass sich die Politik nicht alles erlauben kann. So gibt es doch noch eine Chance für Demokratie in Nigeria und Afrika“, sagt der Rechtsanwalt Doyin Odukoya in Lagos.

Doch AC-Aktivisten sind skeptisch. „Die PDP hat ihre Macht missbraucht, um unseren Kandidaten zu sabotieren, und ich sehe nicht, wie er in diesen wenigen Tagen noch aufholen will“, sagt die AC-Wahlhelferin Maureen Onwusonya. Nun hat die Regierung wegen der verbreiteten Unruhen bei den Gouverneurswahlen vergangenen Samstag auch noch sämtliche Wahlkampfveranstaltungen verboten, obwohl sie nach Wahlgesetz eigentlich bis zum Vorwahltag erlaubt sind. Trotzdem kam es zu vereinzelten Pro-Atiku-Märschen.

Maureen und die anderen AC-Wahlhelfer vor dem Lagoser Parteihaus freuen sich zwar, dass Nigerias Regierungspartei PDP in der größten Stadt des Landes die Wahlen verlor und die in den AC eingetretene Mannschaft des bisherigen Gouverneurs Tinubu im Amt blieb. Aber dieser Sieg ist bitter. „Nur weil wir hier schon an der Macht waren, konnte die PDP nicht so fälschen wie in den anderen Bundesstaaten“, sagt Maureen. Ein anderer AC-Wahlhelfer, Segun Akinniranye, befürchtet von nun an ständige Gewalt vor allem im Umland von Lagos, wo viele einen Wahlsieg des AC erwarteten, aber die PDP die Gouverneursposten behielt. Er ist aber zuversichtlicher bezüglich der Wahlchancen seines Präsidentschaftskandidaten. „Atiku ist überall im Land bekannt“, sagt Akinniranye, der sonst den örtlichen Busbahnhof organisiert. „Nachdem Obasanjo bei dieser Wahl endgültig sein wahres Gesicht gezeigt hat, sympathisieren mehr und mehr Menschen mit Atiku.“

Die meisten Nigerianer geben sich dennoch desillusioniert über die Wahlen. Sie hoffen, dass es bald ein Ende hat mit dem zu offensichtlich gezinkten politischen Spiel. Wie die Opposition fortfahren wird, ist unklar. Abubakar hält einen Wahlboykott für sinnvoll, der andere wichtige Oppositionskandidat Buhari aus dem muslimischen Norden dagegen nicht. Zumindest fordern beide Kandidaten und auch andere Parteien eine Verschiebung der Wahlen. Aber dem erteilten bereits Wahlkommission und Regierung eine klare Absage. Sicher ist, dass diese Wahlen die ethnisch und religiös spannungsreiche Gesellschaft Nigerias weiter gespalten haben.