Rosige Zeiten

VON STEPHAN KOSCH

Nach fast sieben mageren stehen den Deutschen offenbar fette Jahre bevor – zumindest wirtschaftlich. „Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem kräftigen Aufschwung“, verkündeten die fünf führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute gestern in Berlin. In diesem und im kommenden Jahr wird das Bruttoinlandsprodukt um 2,4 Prozent wachsen. Die Zahl der Arbeitslosen wird 2008 auf 3,5 Millionen sinken, und der Staat muss nach langer Zeit keine neuen Schulden mehr aufnehmen.

So weit, so rosig. Bleiben zwei Fragen: Warum brummt die Wirtschaft so sehr, dass auch die Experten aus den Instituten überrascht sind? Schließlich haben sie ihre Prognose für 2007 innerhalb eines halben Jahres um einen ganzen Prozentpunkt erhöht. Und was soll Deutschland tun mit dem neuen Reichtum? Sparen, Steuern senken oder investieren? Zunächst zu den Gründen. Udo Ludwig, Volkswirtschaftschef beim Institut für Wirtschaftsforschung in Halle, spricht von den „gegenseitig sich verstärkenden Kräften“, die die Experten im Herbst unterschätzt hätten. Vor allem wurde, auch wegen des milden Winters, deutlich mehr gebaut als gedacht. Die Industrie hat mehr neue Maschinen bestellt als erwartet, und der Export legte noch ein bisschen mehr zu als ohnehin prognostiziert. Und dann war da noch die Mehrwertsteuererhöhung, deren Auswirkungen nicht genau abzuschätzen waren.

Tatsächlich haben die Deutschen Ende 2006 für rund drei Milliarden Euro Waschmaschinen, Möbel und andere Konsumgüter früher gekauft als ursprünglich vorgesehen, um dem höheren Mehrwertsteuersatz zu entgehen. In den ersten Monaten dieses Jahres hielten sie sich entsprechend zurück, die privaten Konsumausgaben sanken. Doch bereits für das zweite Quartal 2007 erwarten die Experten wieder einen Anstieg, weil mehr Menschen Arbeit haben und die Löhne steigen. „Der größte Wachstumsbeitrag kommt von der Inlandsnachfrage“, sagte Ludwig. weil auch die Unternehmen weiter kräftig investierten.

Doch trotz all dieser guten Nachrichten mahnen die Wirtschaftsforscher weiter zur Sparsamkeit: Die Arbeitslosigkeit sei nach wie vor sehr hoch, die öffentlichen Haushalte strukturell noch lange nicht ausgeglichen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) solle alle Begehrlichkeiten abwehren. Ausnahme: die Steuern. Sowohl Unternehmen als auch Lohnempfänger sollten weiter entlastet werden, weniger an den Fiskus abdrücken müssen.

Einzelne Steuererleichterungen, wie sie für Nacht- und Feiertagsdienste gelten, sollte die Regierung aber streichen, sagt zumindest Joachim Scheide vom IfW in Kiel. Und die Löhne insgesamt dürften höchstens um drei Prozent steigen. Mindestlöhne lehnen die Institute ab. Diese seien „wirkungslos oder vernichten Arbeitsplätze“.

Damit stützen die Wirtschaftsforscher Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU), der sich wiederholt für Steuersenkungen ausgesprochen hatte.

Steinbrück hingegen sucht eher nach neuen Einnahmequellen und sieht einen ausgeglichenen Haushalt als oberstes Ziel an (siehe Text unten). Geld für weitere Steuersenkungen oder neue Krippenplätze stehe nicht zur Verfügung, erklärte der Minister.